Die Schelenburg in der Gemeinde Bissendorf
Von Christiane Curti
Die Schelenburg ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Die wechselvolle Geschichte, die herausragende Architektur und die Verbindung mehrerer Baustile machen die Schelenburg zu einem herausragenden Zeugnis mit immenser geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung. Seit nunmehr über 900 Jahren ist die Schelenburg geprägt von Kontinuität und Familientradition und steht in Verbindung zu der umgebenen Siedlungsstruktur.
Die Schelenburg liegt inmitten der Gemarkung Schelenburg, etwa 12 Kilometer östlich von Osnabrück, zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald direkt an der Wierau. Sie ist die wohl älteste Niederungsburg und zweifellos eine der beeindruckendsten Anlagen im Landkreis Osnabrück. Bereits 1160 wird eine Wasserburg der von Sledesen erwähnt, die 1396 nach Heirat der Erbtochter Elisabeth von Sledesen mit Rabodo von Schele in den Besitz der Familie von Schele überging, die sie noch heute bewohnt.
Das Schloss präsentiert sich heute als dreiflügelige Anlage, innerhalb eines zum Teil noch umlaufenden, doppelten beziehungsweise dreifachen Gräfte- und Wassersystems. Der rechteckige Wohn- und Wehrturm mit steilem Walmdach von um 1200 ist in seiner Gestaltung der normannisch-fränkischen Donjons entlehnt. Trotz eines Großbrandes, der die Anlage 1490 zerstörte, blieb das Steinwerk des Wohn- und Wehrturms erhalten. Der Wiederaufbau, unter Einbeziehung erhaltener Teile des Vorgängerbaus, erfolgte unter Sweder von Schele und war ursprünglich als Vierflügelanlage geplant. Die Arbeiten des Südflügels wurden ab 1529/30 dem Baumeister Jörg Unkair übertragen, der den bereits begonnen Neubau in seine Planungen einbezog und erweiterte. Der zweigeschossige Südflügel wurde ursprünglich als verputzter Bruchsteinbau im Stil der frühen Weserrenaissance, mit hohen Zwerchhäusern mit Halbkreisaufsätzen, die sogenannten Welschen Giebel, zwischen 1529/30 bis 1532 ausgeführt. Der ebenfalls zweigeschossige Westflügel mit Satteldach wurde ab 1572 errichtet. Erst im 18. Jahrhundert ist der Ostflügel als eingeschossiger Torflügel mit mittiger, rundbogiger Tordurchfahrt, dem Kernbau hinzugefügt worden. Nachdem im 17. und 18. Jahrhundert der Nordflügel des Schlosses abgebrochen und die Anlage mit einigen Gebäuden, vor allem Wirtschaftsgebäuden, ergänzt wurde, erfuhr lediglich das Innere des Schlosses weitere Veränderungen, beispielsweise den Einbau einer neogotischen Bibliothek 1903 durch den Architekten Jürgen von Wangenheim.
Die massiv eingefassten Gräfte werden vor allem von der Wierau gespeist und umgeben das Schloss noch immer fast ringförmig; lediglich der nördliche Graben wurde nach Abbruch des Nordflügels 1707/08 verfüllt, um den Innenhof zu erweitern. Anhand des komplexen Gräftesystems, lässt sich die baugeschichtliche Entwicklung der Schelenburg ebenfalls ablesen, denn dieses umgibt, gemeinsam mit den im 19. Jahrhundert niedergelegten Wällen, die Kernburg. Der Kernbau und die Gräfte werden von einem großen landschaftsparkähnlichem Schlossgarten aufgenommen. Der teilweise weit in die anschließende, ehemalige Bauerschaft hinausstrahlende Garten weist einen zum Teil 300 jährigen Baumbestand auf, welcher sich vorwiegend aus Laubhölzern zusammensetzt.
Optisch wird die Schelenburg vom imposanten mittelalterlichen Wohn- und Wehrturm beherrscht. Doch auch die bauhistorische Bedeutung der Anlage als Schloss des frühen 16. Jahrhunderts ist immens. Der aus Tübingen stammende, namhafte Baumeister Jörg Unkair wurde 1529/30 mit der Ausführung des Südflügels beauftragt. Zuvor führte er für den Bischof von Osnabrück und Paderborn, Erich von Grubenhagen, bereits 1525 den Neubau seiner neuen Residenz Neuhaus bei Paderborn aus. Wie in Neuhaus gestaltete Unkair auch den südlichen Flügel unter Einbeziehung des erhaltenen Turmes und bereits begonnenen Neubaus mit wesentlichen Bauformen, die in der Folgezeit der Weserrenaissance sehr bedeutend wurden. Neben den Welschen Giebeln als typische Abschlüsse der Zwerchhäuser, die Unkair in Neuhaus erstmals einsetzte, gehören auch die Fenster und Portale mit sich durchkreuzenden Stabwerk-Rahmungen sowie die stark profilierten, geschosstrennenden Gesimse zu den prägenden Gestaltungselementen der Schelenburg. Sie bilden einen architektonischen Gegensatz zum fast ungegliederten Kubus des Wohn- und Wehrturmes. In Grund- und Aufriss weiterhin erkennbare Merkmale dieses Baustils sind neben der vierflügeligen Anlage die Wendeltürme beziehungsweise gewendelten Treppentürme, die – teils prächtig gestaltet – in den Winkeln der Flügel vor die Fassade gestellt wurden. Auf der Schelenburg wurde das Gestatungselement des Treppenturme von Unkair mittels einer im Inneren aufgehende Treppenspindel gelöst, da er aufgrund der Einbeziehung der vorhandenen Bausubstanz den im Innenhof aufragenden Treppenturm nicht ausführen konnte. Der Reiz der von Unkair geschaffenen Architektur spiegelt sich im Zusammenspiel von mittelalterlicher Gebäudesubstanz und im Aufgehen dieser im Stil der frühen Weserrenaissance wieder.
Auch im Inneren erhielt eine neue Formensprache Einzug, sowohl hinsichtlich der neuen Raum- und Öffnungsstrukturen, als auch im Zusammenhang mit der repräsentativen Ausgestaltung der Räume. Während die Etageneinteilung vor allem die gehobenen Ansprüche an Wohnlichkeit und Repräsentation befriedigen sollte, wurde mit der Verlegung der Verteidigungsanlagen nach außen die strikte Trennung von Wohn- und Wehrbauten noch unterstrichen. Diese grundlegende Veränderung im Burgen- und Schlossbau wurde aufgrund der im 16. Jahrhundert einsetzenden Änderungen in der Waffentechnik auch an der Schelenburg deutlich erkennbar. Aufgrund neuer Aufgabenbereiche und einer veränderten, exponierten Stellung nutzte der Bauherr Sweder von Schele – Angehöriger des Landadels und Landrat der Ritterschaft zu Osnabrück – den Ausbau der Schelenburg, um seinen Status symbolisch zu untermauern. Er erhielt vom Bischof zu Osnabrück und Paderborn die landesherrliche Gerichtsbarkeit und das Dominialrecht im Kirchenspiel Schledehausen als Pfand. Die Bautätigkeiten auf der Schelenburg repräsentiert diese politische wie auch wirtschaftliche Komponente im Zusammenhang mit dem Aufstieg der Familie Schele.
Die geschichtliche Bedeutung der Schelenburg als Niederungsburg sowie ihre Verbindung und Strahlkraft in die umliegende Siedlungs- und Landschaftsstruktur stehen derzeit im Fokus eines Netzausbauvorhabens.
Literatur:
G.U.Großmann (Hrsg.): Kleine Kunstführer des Weserrenaissance-Museums Schloss Brake, Schloss Schelenburg, Heft 6, 1992.
Machtemes, Ursula: Die Schelenburg in Schledehausen, Gemeinde Bissendorf, Landkreis Osnabrück, Seite 233-235, in: Schlüter, Wolfgang (Hrsg.): Burgen und Befestigungen, 2000.
Poppe, Roswitha: Die Schelenburg, in: A. Schindling, K.J. Bade, H.-R. Jarck (Hrsg.): Schelenburg - Kirchspiel - Landgemeinde - 900 Jahre Schledehausen, 1990, Seite 61-86.