Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis Gifhorn

Der Landkreis Gifhorn im östlichen Niedersachsen gehört flächenmäßig zu den größten Landkreisen des Bundeslandes, weist aber mit 1045 Bau- und Kunstdenkmälern einen vergleichsweise geringen Bestand eingetragener Denkmale auf. Seinen landschaftlichen Charakter bilden im Norden, am Übergang zur Lüneburger Heide, sandige Heideflächen, die im Wechsel mit ausgedehnten Torfmooren auftreten, während der Süden zum subherzynischen Hügelland gehört und vorwiegend aus Ackerflächen sowie Waldgebieten besteht. Somit bildet die Landwirtschaft – zu der früher auch der Torfabbau zählte – die wichtigste Wirtschaftsquelle des Kreises. Die Dörfer der slawischen Wenden, die eine wichtige Rolle in der Siedlungsgeschichte spielten, sind heute noch teilweise im Grundriss als Rundlings- oder Angerdörfer erhalten. Auf den Parzellen entstanden im Zuge des 19. Jahrhunderts zum Teil große, vierseitige Hofanlagen mit prunkvollen Wohnhäusern, die aufgrund der Höfeordnung in Größe und Grundbesitz ungeteilt bestehen bleiben konnten und den Großbauern durch Agrarreformen und Industrialisierung zu Wohlstand verhalfen. Die historische Profanarchitektur im Landkreis Gifhorn wird durch die Fachwerkbauweise dominiert, wobei das Niederdeutsche Hallenhaus mit zugehörigen Fachwerk-Wirtschaftsgebäuden zu den ältesten Typen gehört.

Zu den historisch wichtigsten Objekten im Landkreis gehört das ab 1345 errichtete Kloster Isenhagen, das bis heute als evangelisches Frauenstift fortbesteht. Das Rückgrat der geistlichen Organisation bildeten im Mittelalter die Pfarrkirchen, die teils zur Diözese Halberstadt, teils zu Hildesheim gehörten. Als Feldsteinkirchen zählen sie zu den ältesten Geschichtszeugnissen und den regionalen Besonderheiten. Der Landkreis gehörte im Mittelalter politisch teils zum Herrschaftsbereich der Lüneburger Herzöge und teils zu Braunschweig. Nach der Hildesheimer Stiftsfehde, die viele Dörfer in Schutt und Asche legte, entstand von 1539-1549 das Herzogtum Gifhorn, welches in die Ämter Gifhorn, Fallersleben und das Kloster Isenhagen unterteilt war, aus denen das Gebiet des heutigen Landkreises besteht. Die verwaltungspolitische Geschichte baut unter anderem auf den Adelssitzen der mittelalterlichen Wasserburgen auf, von denen zumeist nichts übrig blieb, nachdem um 1700 auf ihren Fundamenten schlossartige Herrenhäuser errichtet wurden. Das Rittergut Ribbesbüttel oder die Burg Knesebeck sind Beispiele für diese Entwicklung, die Burg Brome wiederum gehört neben dem Schloss Gifhorn zu den einzigen erhaltenen Schlossanlagen der Renaissance. Da der Landkreis von zahlreichen Flüssen wie Oker, Aller und Ise sowie deren Seitenarmen durchflossen wird, gehören zahlreiche historische Wassermühlen zur Kulturlandschaft, die bereits im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit in Form von Zins- bzw. Lehnsmühlen bestanden.

Burg Brome

Ein Stilwechsel, der dann doch nicht vollzogen wurde, erklärt das unfertige Erscheinungsbild des Schlosses in Brome. Nach dem Kauf einer mittelalterlichen Grenzburg 1583 ließen sich die neuen Besitzer aus der Familie von Bartensleben-Wolfsburg 1590–1592 eine standes- und zeitgemäße Unterkunft errichten – zeitgleich mit ihrem Stammsitz, der Wolfsburg. Anders als am dortigen Ostflügel sind die Zierformen der Weserrenaissance, die einem Merianstich zufolge auch das Schloss in Brome auszeichneten, nicht mehr erhalten. Mitte des 18. Jahrhunderts erschienen sie dem neuen Schlossherren aus dem Geschlecht der Schulenburgs nicht mehr ansprechend. Die Wartesteine an den beiden hofseitigen Mauerkanten zeugen noch von dem Plan, den Winkelbau mit dem Rundturm zu einer barocken Dreiflügelanlage zu erweitern. Als der Schlossherr auf die Wolfsburg zog, musste Brome keine repräsentativen Aufgaben mehr erfüllen.

Fachwerkspeicher

Speicher und insbesondere Treppenspeicher sind charakteristische Nebengebäude auf Hofanlagen, die vor allem im nördlichen Landkreis von Gifhorn vertreten sind. Sie gehören mit zu den ältesten bäuerlichen Nebengebäuden, die vornehmlich der Vorrats- und Lagerhaltung dienten und meist mit Abstand zum Wohnhaus errichtet wurden. Bei den sogenannten Treppenspeichern wird das Obergeschoss normalerweise an der Giebelseite über eine Außentreppe erschlossen, woher sie auch ihren Namen erhielten. Sie wurden bis weit in das 19. Jahrhundert errichtet und zählen heute zu seltenen Relikten der Kulturlandschaft der Lüneburger Heide. Auch im Landkreis Gifhorn haben sich noch einige wenige davon erhalten. Teilweise wurden von Abriss bedrohte Speichergebäude von Hofstellen transloziert, um das seltene Kulturgut an anderer Stelle erhalten zu können. Bei dem Speicher auf einer Hofanlage in Bokel handelt es sich um einen 1534 errichteten zweigeschossigen Treppen-Fachwerkspeicher als Wandständerbau mit Ankerbalkenkonstruktion, der bereits 1907 an heutige Stelle transloziert wurde und ein selten erhaltenes Speichergebäude des 16. Jahrhunderts dokumentiert. Die Speicher in Böckelse und Seershausen vertreten diejenigen erhaltenen Speichergebäude der Region, die vornehmlich im frühen 18. Jahrhundert als Getreidespeicher errichtet wurden.

Feldsteinkirchen

Nicht nur aufgrund verschiedener machtpolitischen Einflüsse oder dem Landschaftscharakter lassen sich zwischen dem Norden und Süden von Gifhorn Unterscheide erkennen, sondern auch durch die Vorkommen von Baurohstoffen entstanden spezifische Architektur- und Konstruktionsabwandlungen. Im Norden Gifhorns finden sich einige noch im Kern auf das 12. Jahrhundert zurückgehende Feldsteinkirchen als Dorfkirchen, deren Mauern aus Findlingen errichtet wurden, die ursprünglich durch die Gletscherschmelze nach der Eiszeit transportiert und rundgeschliffen wurden. Aufgrund des Fehlens an natürlichen Steinbrüchen wurden diese vom Feld eingesammelt und als Baumaterial verwendet. Sogar bis in das 19. Jahrhundert wurden Feldsteine als Grundmauern für den profanen Fachwerkbau verwendet. Der nördliche Teil des Landkreises zählt neben Schleswig Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zu dem geographischen Gurt in Niedersachen, in deren Gebieten der Feldsteinbau zur regionalhistorischen Bauweise gehört. Die Feldsteinkirchen wurden zumeist in der Spätromanik und der Frühgotik erbaut, in der Regel zunächst als schlichte Dorfkirchen, zum Höhepunkt der Bauform im 12. Jahrhundert setzte sich eine sorgfältige Quadertechnik im Gegensatz zum Wildmauerwerk durch. Zum Ende des 16. Jahrhunderts vermischen sich die Anteile an Feld- und Ziegelmauerstein sowie Naturwerkstein, die zum Teil in Ziersetzungen zur Hervorhebung von Baugliedern Verwendung fanden.

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