Braunschweigisches Landesmuseum – Standort Hinter Aegidien
Von Krekeler Architekten Generalplaner und dem Staatlichen Baumanagement Braunschweig
Der Standort des Braunschweigischen Landesmuseums am Lessingplatz 2 in Braunschweig ist bekannt als „Hinter Aegidien“. Diese geschichtlich bedeutungsvolle Liegenschaft des ehemals Vaterländischen Museums grenzt an die Kirche St. Aegidien und besteht aus mehreren Gebäudeteilen. Gegenüber der Kirche steht der Pauliner Chor, der ab 1902 vom nahe gelegenen Bohlweg an den heutigen Standort transloziert und damit Teil des Vaterländischen Museums wurde. Zwischen St. Aegidien und dem Pauliner Chor befindet sich das Aegidienkloster, das im Erdgeschoss noch die ursprünglichen Räume des ehemaligen Benediktinerklosters aus dem 12. Jahrhundert besitzt. Das Obergeschoss dagegen wurde ab 1902 in abweichender Kubatur und Innenaufteilung mit Baumaterialien aus dem Pauliner Kloster aufgebaut. Ergänzt wurden die beiden Teile durch einen Zwischenbau, der die Haupterschließung enthält. Hier wurden ebenfalls Baumaterialien aus dem ehemaligen Pauliner Kloster vom Bohlweg verwendet. Des weiteren ergänzt wird das Ensemble des heutigen Landesmuseums im Süden durch das Gebäude Mönchstraße 1, in dem die jüdische Geschichte in der Region vermittelt. Eingerahmt werden die Gebäude durch die beiden Außenbereiche im Osten und Westen, die mit historischen Einfriedungen das Grundstück abschließen.
Aufgrund des unzureichenden Brandschutzes und ungenügender bauphysikalischer Bedingungen konnten die Räume des Obergeschosses in den letzten Jahren nicht für die Öffentlichkeit und damit nicht für Ausstellungszwecke zugänglich gemacht werden. Dies war der Anlass, das Gebäudeensemble sukzessive und in mehreren Teilabschnitten unter fachlicher Leitung des Staatlichen Baumanagements Braunschweig den heutigen Anforderungen anzupassen und dabei die wertvolle Denkmalsubstanz behutsam zu sichern, zu sanieren, zu restaurieren und damit fit für die Zukunft zu machen. Angefangen wurde 2014 mit der Erneuerung des Kassenbereichs und der WC-Anlagen im Erdgeschoss des Pauliner Chors sowie der Neugestaltung des Außenbereichs des westlichen Hauptzuganges. Beide Maßnahmen standen unter der Maßgabe einer barrierearmen Erschließung.
Im Jahr 2017 erhielten Krekeler Architekten Generalplaner den Auftrag der Bestandsaufnahme und der Sanierungskonzeption, die Grundlage für die folgenden Bauabschnitte sein sollten. Angefangen mit einem verformungsgerechten Aufmaß mittels 3D-Laserscan wurden für die Fassaden und die Einfriedungen anhand von Musterkartierungen die vorhandenen Schäden und die daraus resultierenden erforderlichen Sanierungsmaßnahmen festgelegt. In einem ersten Schritt wurde ab 2018 die Hüllensanierung des Aegidienklosters durchgeführt, die sich neben den Außenmauern aus den lokalen Natursteinmaterialien Elmkalk und Rogenstein um die eindrucksvollen Bleiverglasungen und die in die Jahre gekommene Dachdeckung kümmerte. Darüber hinaus wurde das im Zuge der Einrichtung des Vaterländischen Museums errichte Tonnengewölbe im Obergeschoss aufwändig restauriert und umsetzbare energetische Verbesserungen umgesetzt.
Das Tonnengewölbe war besonders behutsam zu behandeln, da es sich nicht um ein selbsttragendes Gewölbe im herkömmlichen Sinne handelt, sondern um eine an der Dachkonstruktion abgehängte Rabitzkonstruktion, die nur mit sparsamer Bewehrung und dünnen Abhängedrähten ausgeführt war. Eine zusätzliche statische Belastung oder Bewegung musste ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund erhielt das Satteldach neben denkmalgerechten Reparaturen eine Vollsparrendämmung, die nicht nur die raumklimatischen Bedingungen für zukünftige Ausstellungen sicherstellt, sondern auch die thermischen Schwankungen und damit die Belastungen des Tonnengewölbes deutlich reduzierte. Restauratorische Untersuchungen hatten zudem ergeben, dass die ursprüngliche Bemalung des Gewölbes unter einer weißen Beschichtung in großen Teilen erhalten war und so nicht nur gesichert, sondern in der fortgeführten Maßnahme auch in einer Musterachse freigelegt werden konnte. So können sich die Besucher*innen heute im nördlichen Teil des ehemaligen Dormitoriums ein Bild von der ehemals prächtigen Ausstattung der Decken und Holzbemalungen zu Zeiten des Vaterländischen Museum Anfang des 20. Jahrhunderts machen. Ebenfalls restauratorisch bearbeitet wurden die Bleiverglasungen im Erd- und Obergeschoss, die behutsam repariert, im Falle des südlichen Wappenfensters im Dormitorium zusätzlich von historischen „Fehlern“ in der Neuzusammensetzung befreit und mit farbgerechten Gläsern ergänzt wurden.
Die Erneuerung der Dachdeckung musste aufgrund des darunterliegenden und unter allen Umständen zu schützenden Tonnengewölbes unter einem Wetterschutzdach erfolgen, das es erlaubte, auch bei Regen und Wind ungestört zu arbeiten. Das ermöglichte neben dem einfacheren Arbeiten ohne tägliche Schutzmaßnahmen die denkmalgerechte Wiederherstellung der ursprünglichen Traufsituation, die sich heute wieder mit einer aufliegenden Dachrinne und freigestelltem Traufgesims zeigt, wie es auf Bildern aus der Eröffnungszeit des Vaterländischen Museums zu erkennen ist. Sämtliche Reparaturen an den Dachverbandshölzern wurden denkmalgerecht ausgeführt, die ursprünglich geplante Mineralwolledämmung des Daches konnte zugunsten der Verwendung nachwachsender Rohstoffe durch eine Holzfaserdämmung ersetzt werden. Der vor der Sanierung vorhandene Falzziegel aus den 1960er Jahren wurde durch die historisch belegten Linkskremper ersetzt.
Das Pultdach des Kreuzganges bedurfte einer besonderen Betrachtung. Die nicht mehr historische, aber dennoch schützenswerte Dachkonstruktion musste aufgrund eines Befalls durch den Echten Hausschwamm in Teilen zurückgeschnitten und das Traufmauerwerk mit einem Schwammsperrmittel getränkt werden. Zunächst galt es aber, die unterseits bemalten Holzbekleidungen für den Wiedereinbau und eine anschließende restauratorische Überarbeitung behutsam zu sichern. Das Dach konnte anschließend gedämmt werden; aufgrund der geringen zur Verfügung stehenden Aufbauhöhen, die durch die Fensteranschlüsse im Firstbereich vorgegeben wurden, musste hier auf eine hochdämmende PUR-Dämmung zurückgegriffen werden. Die historisch belegte Schieferdeckung konnte aufgrund der zu geringen Dachneigung und der Bruchgefahr durch die herabfallenden Kastanien nicht berücksichtigt werden. Die im Bestand vorhandene Bitumenbahnabdichtung sollte aus gestalterischen Gründen nicht erneuert werden. In Abstimmung mit der Denkmalpflege fiel die Wahl daher auf eine Stehfalzdeckung aus vorbewittertem Zinkblech, die eine hochwertige Gestaltung und dauerhafte Dachdeckung vereint.
Parallel zur Hüllensanierung wurden die Einfriedungen des Grundstücks bearbeitet: Der im Westen vorhandene Metallzaun auf Natursteinsockel wurde ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts vom Pauliner Chor am Bohlweg samt Pfeilerbekrönungen nach Hinter Ägidien transloziert und zeigte aufgrund unsachgemäßer Wasserableitungen erhebliche Korrosionsschäden. Eine in situ durchgeführte Musterrestaurierung wies den Weg der späteren Restaurierung auf, die jedoch nach einer Demontage der Zaunelemente in der Werkstatt durchgeführt wurde. Dort konnte die Bearbeitung der teilweise noch vorhandenen Bleimennige unter besten Bedingungen umgesetzt werden. Dies war möglich, da eine intensive Archivrecherche und eine zusätzliches restauratorisches Gutachten aufzeigte, dass die Metallteile des Zaunes nicht nur bei der Translozierung auseinandergebaut, sondern auch danach in einer weiteren Reparaturphase demontiert waren. Somit stellte die Demontage des vorgefundenen Bestandes zwar einen Eingriff in die geschützte Bausubstanz dar, setze dabei aber die bisher gewählte Vorgehensweise der kleinteiligen Demontagen fort.
Durch die Archivrecherche konnte auch die ursprüngliche Ausführung des Natursteinsockels dokumentiert und in der Überarbeitung wieder nachempfunden werden. Aufgrund der Verwendung von korrosionsbeständigem Edelstahl in den wasserbelasteten Bereichen erstrahlt der Zaun heute und in Zukunft wieder in seiner ursprünglichen Ausformung und nachgewiesenen Farbigkeit. Die Ziegelsteinmauer mit Natursteinabdeckung, die das Grundstück im Osten zum Spohrplatz abschließt, wurde nach einer Schadens- und Maßnahmenkartierung denkmalgerecht instandgesetzt und erhielt ein neues Tor. Schon während der Bauphase der Hüllensanierung und Einfriedungen wurde im Jahr 2020 mit der nächsten Planung begonnen. Die Aufgabe bestand darin, das Dormitorium im Obergeschoss des Ägidienklosters für Ausstellungszwecke herzurichten und dabei die barrierefreie Erschließung uns einen 2. Rettungsweg herzustellen.
Eine besondere Herausforderung war die Erneuerung des Daches des Zwischenbaus, das den Treppenraum nach oben und damit gegenüber den angrenzenden Brandabschnitten abschließt. Das ursprünglich vorhandene kreuzförmig angelegte Satteldach wurde nach einem Brand in der Nachkriegszeit durch ein Flachdach mit Holzkonstruktion ersetzt, das jedoch zahlreiche Schäden und Undichtigkeiten aufwies. Aufgrund des Wunsches von Bauherr und Museumsleitung, die Dachfläche für zukünftige Erweiterungen von Lüftungstechnik z. B. für den Pauliner Chor vorzuhalten, wurde nach Abwägung entschieden, erneut ein Flachdach einzubauen. Zum Schutz des Haupttreppenraumes und zur Verhinderung des Brandüberschlages wurde das Dach in massiver Ausführung geplant. Die Auflager dafür wurden aus Ziegelmauerwerk mit einer Verblendung aus Ziegel im Sonderformat hergestellt. Die Verblender und Mörtelfugen nehmen dabei die Farbigkeit des angrenzenden Natursteinmauerwerks der Giebelwände auf, zeigen sich mit ihrem länglichen Format aber deutlich als neue Zutat. Da die räumliche Position des Zwischenbaus die Ausführung einer Ortbetondecke stark erschwerte, wurde diese am Ende aus Betonfertigteilen hergestellt. Doch wie schon beim Aufbau des Wetterschutzdaches über dem Zwischenbau war auch hier der erforderliche Kraneinsatz Millimeterarbeit und nur auf dem Parkplatz der benachbarten Kirchengemeinde möglich. Ohne deren freundliche Bereitstellung und in Kauf genommenen Einschränkungen, hätten viele Baumaßnahmen nur mit erhöhtem Zeit- und Kostenaufwand ausgeführt werden können.
Die Decke erstrahlt heute nicht nur aufgrund der Glimmer enthaltenden Deckenfarbe, sondern auch dank der neuen Ringleuchte in neuem Glanz. Es ist ein beeindruckender, streng symmetrischer Raum entstanden, der seine volle Wirkung bei einem senkrechten Blick nach oben entfaltet und dabei historische Elemente, wie die Bleiverglasungen und Natursteinornamentik, mit modernen Bauteilen verbindet. Ergänzend zu dieser oberen Brandabschnittstrennung des Treppenraumes wurden in allen Geschossen Türabschlüsse erneuert oder ergänzt. Dabei wurden die historischen Situationen berücksichtigt: Bauzeitliche Eisentüren im Pauliner Chor konnten erhalten und durch offengehaltene Stahl-Glas-Elemente ergänzt werden, die aus den 1960er Jahren stammende Spitzbogenverglasung des Zugangs zum Dormitorium konnte in gleicher Gliederung erneuert werden.
Auch bei der Herstellung des 2. Rettungsweges aus dem Erker des Dormitoriums nach Osten wurden historische Baunähte berücksichtigt: Eine vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Auftrag gegebene Bauforschung zum Ägidienkloster der Technischen Universität Braunschweig zeigte die Grenze des bauzeitlichen Mauerwerks im Übergang von Erd- und Obergeschoss auf, die in keinem Fall durch eine Mauerwerksöffnung überschritten werden durfte. Diese Grenze und der Fund eines Betonringbalkens gab die Höhe der neuen Öffnung vor, so dass das Bodenniveau im Erker deutlich angehoben werden musste. Das sollte jedoch ein Vorteil werden, denn der zusätzliche Einbau einer Lüftungsanlage für das Dormitorium benötigte Platz für Leitungsführungen. So konnten diese im hergestellten Doppelboden im Erker in Richtung Dormitorium und dort zunächst in einem als Sitzbank ausgeführten Möbel verzogen werden. Um eine gleichmäßige Luftverteilung im Raum zu gewährleisten, wurde der vorhandene historische Doppelboden über dem Gewölbe der Klosterräume im Erdgeschoss genutzt, um die Luftkanäle nicht sichtbar zu verziehen. Dabei konnten dank umfangreicher Abstimmungen mit dem Brandschutzplaner und dem Tragwerksplaner Sonderlösungen entwickelt werden, die es ermöglichten, die abgebrochenen Betonplattensegmente durch Vollholzelemente zu ersetzen. Dadurch konnte aufgrund der geringeren Aufbauhöhe der erforderliche Platz für die Lüftungskanäle geschaffen und dabei auf ein nachhaltiges Material aus nachwachsenden Rohstoffen zurückgegriffen werden.
Die Lüftungsanlage selbst wurde für einen minimalen Platzbedarf konzipiert, so dass diese hinter Wandverkleidungen im Erker versteckt werden konnte. Die neu entstandene symmetrische Raumwirkung inszeniert das historische dreieckige Fenster und führt den Blick der Betrachter*innen. Der neu eingebaute Aufzug im Haupteingangsbereich verbindet das Erdgeschoss mit dem Obergeschoss des Pauliner Chors und stellt die barrierefreie Erschließung sicher. Gestalterisch nimmt er die ab 2014 eingebauten Materialien des Kassen- und Servicebereiches auf und gliedert sich damit trotz des prominenten Platzes harmonisch in den Bestand ein. Neben vielen weiteren kleineren Sanierungsmaßnahmen wurden umfangreiche Instandsetzungen und Erneuerungen im Bereich der Haustechnik vorgenommen. Die Erneuerung der Heizungsstation ergänzt die energetische Verbesserung der Hüllflächen. Die Erweiterung der Brandmeldeanlage und Sicherheitsbeleuchtung unterstützt den Brandschutz und kompensiert gleichzeitig baulich nicht zu ändernde Gegebenheiten. Und um zukünftig einen sicheren Rahmen für hochwertige Ausstellungen bieten zu können, wurde die Einbruchmeldeanlage erneuert.
Alle genannten Maßnahmen mussten aufgrund haushälterischer Vorgaben und Fördermittelzuwendungen im Rahmen zahlreicher Einzelprojekte ausgeführt werden. Trotz dieser zusätzlichen Herausforderungen konnten die Terminvorgaben zu den geplanten Ausstellungseröffnungen im Jüdischen Museum und im Dormitorium eingehalten und das Gebäude durch das Braunschweigische Landesmuseum fristgerecht in Nutzung genommen werden. Nach Fertigstellung dieser Maßnahmen sind die kommenden Teilprojekte bereits angedacht. Die zunächst nur temporär aus Gerüstbauteilen hergestellte Fluchttreppe am Erker soll zusammen mit einer Außenraumgestaltung der Ostseite entwickelt werden. Außerdem soll auch der Pauliner Chor für zukünftige Ausstellungen hergerichtet werden, wofür ein 2. Rettungsweg und eine Lüftungsanlage benötigt werden. Zudem stehen die Fassaden des Pauliner Chors und des Zwischenbaus auf der Prioritätenliste weit oben, um das Ensemble nach außen würdevoll präsentieren zu können. Mit den erfolgreich abgeschlossenen Sanierungsarbeiten konnte der zunächst wichtigste Schritt abgeschlossen werden. Das Gebäudeensemble kann wieder das sein, was es in den letzten 110 Jahren war: ein hochwertiges Museumsgebäude, das nicht nur den Rahmen für hochwertige Ausstellungen bildet, sondern selbst ein beeindruckendes Exponat und überregional bedeutendes Baudenkmal darstellt.