Villa – Krankenhaus – Amt - Baudenkmal

Die Bau- und Entwicklungsgeschichte des Dienstgebäudes des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege

Von Birte Rogacki-Thiemann

Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege in Hannover hat seinen Sitz seit 38 Jahren auf einem über 6000 Quadratmeter großen Areal an der Scharnhorststraße zwischen Kirchwender- und Gellertstraße nahe der hannoverschen Innenstadt. Die hierauf befindlichen Gebäude sind aber älter und blicken dabei auf eine bewegte über 150 jährige Geschichte zurück.

Das ehemalige Gartenland wurde ab 1865 planmäßig mit Villen für begüterte Hannoveraner besetzt. Zu ihnen gehörte der Verleger Carl Rümpler (1820-1882), der den jungen Architekten Ernst Bösser (1837-1908) – ein Schüler von Georg Gottlob Ungewitter (1820-1864) aus Kassel, Bewunderer von Conrad Wilhelm Hase (1818-1902) und der Architektur der hannoverschen Schule und ehemaliger Mitarbeiter im Büro von Edwin Oppler (1831-1880) – mit dem Bau einer Villa in der Straße An der Seelhorst beauftragte. Das Grundstück trug die Nummer 1 (ab 1876 Scharnhorststraße 1). Unterlagen zum Bau der Villa, zur Anlage, Aufteilung und Ausstattung sind nicht erhalten; es gibt lediglich ein einziges Foto aus der Zeit um 1870, das vermutlich Rümpler persönlich vor seiner Villa zeigt. Der zweigeschossige gelbe Backsteinbau mit Gliederungselementen aus rotem Steinguss wurde dabei über annähernd quadratischem Grundriss errichtet. Das erhöhte Sockelgeschoss war aus rotem Backstein gestaltet. Im Außenbau war die Villa reich gegliedert, wie sowohl der heute noch vorhandene Bestand als auch das erhaltene Foto beweist: Der Eingang ins erhöhte Erdgeschoss befand sich an der Nordseite der Villa und geschah über einen dreieckigen Vorbau, zu dem eine große Freitreppe hinaufführte. Der Eingangsbereich war zusätzlich baulich als Risalit hervorgehoben. Die Nordostecke der Villa wurde durch einen zweigeschossigen Erker mit einem sehr hohen Turmhelm betont, an diesen schloss sich entlang der noch kaum befestigten Straße eine Loggia an, die als Spitzbogenarkatur ausgebildet war. Südlich begleitet wurde diese Loggia von einem weiteren Risalit, der im Erd- und ersten Obergeschoss dreibahnig mit Fenstern versehen war, und im zweiten Obergeschoss noch zwei weitere Fenster in einem hohen Giebel besaß.

Vermutlich diente das erhöhte Erdgeschoss allgemein als Repräsentationsetage, während sich im ersten Obergeschoss die Privaträume und im Dachgeschoss die Dienstbotenräume befanden. Von der Ausstattung erhalten haben sich bis heute das zentrale Treppenhaus der Villa sowie einige Fenster der Nordfassade. Das Dach der Villa war mit Schiefer gedeckt, auf späteren Abbildungen lässt sich ein Rautenmuster innerhalb der Dachfläche erkennen. Gut erkennbar ist auf dem ältesten erhaltenen Foto darüber hinaus das großzügige Gartenland im Rückbereich der Villa, das anscheinend mit Obstbäumen bepflanzt war.

Die reine Wohnnutzung des Gebäudes währte nur 17 Jahre bis zum Tod von Carl Rümpler, welcher alten Nachrichten zufolge auch gleichzeitig die Privatinsolvenz der Familie bedeutete. Die Villa und das große Grundstück wurden anschließend verkauft an den Verein der Barmherzigen Schwestern St. Vincenz von Paul, deren Mutterdiözese in Hildesheim lag, die aber seit 1862 bereits auch in Hannover tätig waren. Der Kaufpreis betrug 122 300 Mark, der Kaufvertrag wurde am 6. Juli 1882 aufgesetzt.

Mit dem Umbau der Villa sowie einer zusätzlichen Erweiterung derselben wurde der Architekt Christoph Hehl (1847-1911) beauftragt. Dabei wurde die Villa Rümpler im Inneren umgestaltet und anschließend um einen Anbau nach Süden erweitert. Hierbei übernahm Hehl die Architektursprache der ehemaligen Villa Rümpler: So wurde das hohe mit roten Backsteinen gestaltete Sockelgeschoss beibehalten, die übrigen Geschosse den Höhen angeglichen und im Außenbau derselbe gelbe Backstein verwendet, den bereits die Villa kennzeichnete. Die Fortführung der Fassade entlang der Scharnhorststraße ist nahezu baugleich gestaltet. Innerhalb dieses Bauabschnitts wurde im rückwärtigen Sockelgeschoss die bis heute gut erhaltene zweijochige und kreuzgratüberwölbte Kapelle des Stifts eingerichtet und im Frühjahr 1883 geweiht.

Geplant war von Christoph Hehl darüber hinaus außerdem ein zusätzlicher Neubau eines weiteren Flügels entlang der Kirchwender Straße und ein „Garten- und Gewächshaus“ an der Ecke Scharnhorst- und Gellertstraße. Letzteres wurde 1883 verwirklicht, während der Bau des Krankenhausflügels aus Kostengründen unterblieb. Stattdessen beauftragte das Bistum Hildesheim den Maurermeister und Polier Hermann Wilhelm Leyn (geb. 1836) mit einem einfacheren und günstigeren Flügel entlang der Scharnhorststraße, der 1884 fertiggestellt wurde und drei Fensterachsen über das große, bis heute erhaltene Treppenhaus hinausreichte. Leyn hatte als Maurermeister zwei Jahre (1859-1861) bei Conrad Wilhelm Hase studiert, was ihn vermutlich für die Bauaufgabe qualifizierte. In dem von ihm konzipierten Flügel entstand im Übrigen auch der erste Operationssaal des Vincenzstifts. Baulich setzte sich der Anbau deutlich von der Villa und dem Hehlschen Erweiterungsbau ab: Er stellte sich schlichter dar und besaß ein eigenes Dach, das zudem im Gegensatz zu den älteren Bauten in Ziegeln gedeckt war.

Die Jahre bis 1900 sind im Wesentlichen gekennzeichnet durch immer wieder entstehenden Platzmangel, dem durch Grundstücksankäufe und bauliche Erweiterungen begegnet wurde. Hinzu kam bereits 1883 ein Wirtschaftsgebäude im südwestlichen Grundstücksbereich, 1891/92 im Anschluss an das Nebengebäude entlang der Gellertstraße ein eigener „Raum für Aufbewahrung der Leichen wie auch einen Sektionsraum mit vorschriftsmäßigem Abschluß“ (so betitelt in einem Brief von Schwester Maria Virginie an den Magistrat der Stadt Hannover vom 2. Februar 1891), wofür ebenfalls Maurermeister Leyn verantwortlich zeichnete und schließlich zeitgleich noch eine weitere Verlängerung des Flügels entlang der Scharnhorststraße auf die heutige Länge – auch diese Planung stammte von Leyn.

Die Kapelle im Vincenzstift diente in den Anfangsjahren als katholische Pfarrkirche für das gesamte umliegende Villenviertel. Als dies aus Platzgründen immer schwieriger wurde, überließ das Vincenzstift 1892 den an der Gellertstraße gelegenen südwestlichen Teil des Grundstücks der katholischen Gemeinde Hannovers zum Bau einer eigenen Kirche. Die „Elisabethkirche“, die wiederum von Christoph Hehl entworfen wurde, wurde am 20. November 1895 geweiht.

Währenddessen wuchs der Krankenhausbetrieb stetig an, so dass man schließlich 1899 den Architekten Carl Prediger (1840-1918) – einen Schüler von Conrad Wilhelm Hase und Mitarbeiter in dessen Büro – mit dem Entwurf eines weiteren Krankenhausflügels entlang der Kirchwender Straße beauftragte. Zwischen 1900 und 1904 entstanden hier unterschiedlich ausgestattete Räume für Patienten erster und zweiter Klasse und zwei große Krankensäle für Patienten dritter Klasse mit je 14 Betten. Dabei wurde insbesondere auch auf bessere sanitäre Bedingungen und auf Aufenthalts- und Tagesbereiche der Patienten geachtet. Dieser Bau ist eigenständig und nur durch einen schmalen Übergang mit dem Altbau verbunden, in seiner grundsätzlichen Formensprache aber dennoch der Villa Rümpler angepasst: So verläuft der Sockel des Erweiterungsflügels aus rotem Backsteinmaterial in gleicher Höhe, auch wurde wiederum gelber Backstein als Baumaterial verwendet. Zahlreiche Erker, Loggien und Risalite, ebenfalls beeindruckend hohe Turmhelme und die Formensprache der neogotischen Architektur setzten die Motive der älteren Bauten fort. Wie diese war auch der Flügel an der Kirchwender Straße in Schiefer gedeckt.

Der neue Flügel grenzte direkt an das bereits 1892 errichtete Wohnhaus des Konsistorialrats Karl Schuster, Kirchwenderstraße 12B, der durch Eingaben beim Bischof in Hildesheim mehrfach versuchte, den Anbau zu verhindern, mit seinem Einspruch aber scheiterte. Nach der Fertigstellung des Flügels von Carl Prediger im Jahr 1904 entschloss man sich von Seiten der Vincentinerinnen noch zum Zukauf dieses Nachbarhauses, das fortan als Wohngebäude für die Schwestern und Ärzte des Vincenzstifts diente. Eine bauliche Verbindung zwischen den beiden Häusern gab es dabei bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts nicht.

Der Ausbau des Vincenzstifts war somit 1904 abgeschlossen, es folgten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verschiedene Anbauten, Ausbauten und vor allem technische Aufrüstungen wie der Anbau des Aufzugsturms im Übergang zwischen den beiden Hauptflügeln. Terrassen und Liegehallen kam an der Westseite des Flügels an der Scharnhorststraße hinzu.

Im Zweiten Weltkrieg lief der Krankenhausbetrieb weiter. Mehrere Bombentreffer zwischen Oktober 1943 und März 1945 richteten verschieden große Schäden an: Besonders stark betroffen war das ehemalige Garten- und Gewächshaus an der Ecke Gellertstraße, das bereits seit den 1890er Jahren auch für die Versorgung von Kranken (z.B. als „Isolierhaus“) genutzt wurde und das nun bis auf Keller und Außenwände vollständig ausbrannte. Vom Flügel an der Scharnhorststraße waren die Dächer und teilweise die obersten Geschosse betroffen, im Bereich südlich der Kapelle gab es einen größeren Treffer, der auch die innere Struktur des Gebäudes teilweise zerstörte. Außerdem wurde der dreieckige Eingangsbau an der Scharnhorststraße getroffen – seitdem wird das Haus ebenerdig erschlossen. Im Flügel an der Kirchwender Straße war lediglich das Dachgeschoss durch Bomben in Mitleidenschaft gezogen.

Mit dem Wiederaufbau wurde bereits ab 1943 der Hildesheimer Architekt Wilhelm Fricke (1896-1964) beauftragt. Dieser Wiederaufbau ist vor allem unter pragmatischen Gesichtspunkten durchgeführt worden. Durch eine Angleichung der bis zum Krieg sehr verspielt und verschachtelt aufgebauten Dachlandschaft mit einer nahezu einheitlichen Traufkante, wofür einzelne Bereiche auch aufgestockt wurden, wurde möglichst unkompliziert Raum für die Versorgung von Kranken geschaffen. Gut erkennbar ist bis heute im Backsteinmauerwerk der Fassaden entlang der Kirchwender- und der Scharnhorststraße die horizontale Fuge, die die Grenze zwischen den Altbauten und dem Wiederaufbau von 1946/47 bildet.

15 Jahre lang lief der Krankenhausbetrieb weiter – alte Pläne zeigen eine extrem große Auslastung der Räume mit vielen Betten. Der Standort wurde somit zunehmend schwierig für die Vincentinerinnen. 1960 versuchte man durch Planung eines neuen großen Erweiterungsflügels an der Scharnhorststraße durch Wilhelm Fricke, der bis zur Gellertstraße gereicht hätte (dem also auch das Nebengebäude zum Opfer gefallen wäre), der wachsenden Platznot und dem Mangel an Komfort entgegen zu wirken. Nachdem jedoch das Stadtplanungsamt die Zustimmung zu diesem Bauvorhaben verwehrt hatte, begannen sich die Vincentinerinnen nach einem neuen Standort umzuschauen. Grundstück und Gebäude wurden am 19. Juli 1967 vom Land Niedersachsen übernommen. Für das Vincenzstift wurde ein neues Krankenhaus in Kirchrode errichtet, in das die Schwestern 1971 umzogen. Das Land Niedersachsen plante zunächst den Abbruch des alten Krankenhauses und den Neubau eines Finanzamtes an dieser Stelle, stellte die Räumlichkeiten dann aber vorübergehend Mitarbeitern der Oberfinanzdirektion zur Verfügung. 1977 zogen diese aus, anschließend wurden die Gebäude als Dienstsitz für das neu konstituierte Institut für Denkmalpflege ins Auge gefasst. Im Juli 1979 begannen die Umbau- und Restaurierungsmaßnahmen, ab 1982 zogen die Abteilungen des Denkmalfachbehörde hier sukzessive ein.

Bis heute haben sich aus jeder Bauphase Überreste im Bau erhalten – bei der nun neu anstehenden Renovierung sollen die historischen Momente des Bauwerks und seine wechselvolle Geschichte wieder deutlicher hervorgehoben werden, weswegen eine bauhistorische Untersuchung des Gebäudes beauftragt wurde, die diesem Aufsatz zugrunde liegt.

Birte Rogacki-Thiemann ist in der Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege des NLD für das Projekt Denkmalatlas Niedersachsen tätig.

Literatur:

J. Bühring: Das damalige St. Vincenzstift als Dienstgebäude des Instituts für Denkmalpflege, in: Berichte zur Denkmalpflege 4/1982, S. 108-116.

Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Hildesheim – 100 Jahre Krankenhaus St. Vincenzstift Hannover, Scharnhorststraße 1 / Vinzenzkrankenhaus Hannover, Lange-Feld-Straße 31, Hannover 1983.

J. Maring: Die Kongregation der barmherzigen Schwestern vom heil. Vinzenz von Paul in Hildesheim – Festschrift zum 50jährigen Jubiläum der Genossenschaft, Hildesheim 1908.

H. Mundhenke: Hannover und seiner Krankenhäuser 1734-1945, in Hannoversche Geschichtsblätter N.F. 13/1960, S. 1-84.

L. Sterner: Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Hildesheim von 1852 bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil – Untersuchung einer karitativen Ordensgemeinschaft vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Geschichte des Bistums Hildesheim 6), Hannover 1999, insb. S. 203-214.


Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 40. Jg. (2020), Heft 4, S. 12-18.

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