Eine Landsynagoge in der Großstadt: Die Bodenfelder Synagoge von 1825, neu aufgerichtet 2008 in Göttingen
Von Ulrich Knufinke
Zu den unscheinbaren, aber kulturhistorisch bedeutenden Objekten der südostniedersächsischen Denkmallandschaft gehören die wenigen Synagogen jüdischer Gemeinden, die die Zeit des Nationalsozialismus und die Jahrzehnte seitdem baulich überstanden haben. Sie sind nicht nur Zeugnisse jüdischer Kultur und deutsch-jüdischer Geschichte, sondern auch Teil der Lokalgeschichte und Beispiele regionaler Bautradition. Im Süden Niedersachsens entwickelten sich vor allem seit dem späten 17. Jahrhundert jüdische Ansiedlungen in kleinen und mittleren Städten, es entstand ein ländliches Judentum mit spezifischen sozialen, kulturellen und religiösen Traditionen. Um 1800 und besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – parallel zur sogenannten „Verbürgerlichung“ der Jüdinnen und Juden mit den Bestrebungen nach rechtlicher Gleichstellung und sozialer Akzeptanz – wuchsen daraus jüdische Gemeinden mit festen Institutionen. Die zuvor in privaten Beträumen abgehaltenen Gottesdienste konnten nun in eigens errichtete Synagogen umziehen, es kam zu einer regelrechten „Neubauwelle“. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die allermeisten Synagogen jedoch im Ortsbild kaum erkennbar, sie standen verdeckt hinter Vorderhäusern und waren außen nicht repräsentativ gestaltet. Die Synagoge in Bodenfelde an der Weser ist ein Beispiel dieser schlichten ländlichen Synagogen. Der im Grundriss annähernd quadratische Fachwerkbau mit Walmdach wurde 1825 auf einem Hofgrundstück errichtet. Von den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden des Ortes unterschied sich die Synagoge nur durch ihre hohen Fenster, sonst war sie in Konstruktion und Gestaltung ein typischer Bau der Zeit. Im Innern stand auf der Ostseite der Toraschrein, im Zentrum befand sich wahrscheinlich eine Bühne mit dem Pult zur Toralesung. Im Erdgeschoss, zugänglich durch eine Tür auf der Südseite, hatten die Männer ihre Plätze, die Frauen saßen auf einer über eine Außentreppe erreichbaren Empore im Westteil. Damit entsprach der Bau dem traditionellen Raumschema des Synagogenbaus im deutschsprachigen Raum. Zum hundertjährigen Bestehen veranlasste die jüdische Gemeinde 1925 eine Renovierung und Neuausmalung ihres Gebetshauses – dass sie es wenige Jahre später unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgung verkaufen musste, war da noch nicht zu ahnen. Die nicht-jüdischen Käufer nutzten das Gebäude als Schuppen, weshalb es in der Reichspogromnacht 1938 nicht zerstört wurde. Die Ausstattung war jedoch verloren, ein Tor wurde eingebrochen, die Treppe entfernt. Um das Jahr 2000 war das Gebäude ebenso wenig als Synagoge erkennbar wie die anderen noch erhaltenen jüdischen Gebetshäuser in Südostniedersachsen, zum Beispiel in Dransfeld, Einbeck, Moringen, Osterode, Rhüden oder Sudheim.
Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 40. Jg. (2020), Heft 2, S. 64-66.