Pech gehabt! Ein frühneolithisches Gefäß mit Reparaturspuren aus Hüde am Dümmer See

Von Alexandra Philippi

Dass defekte Gefäße in frühneolithischer Zeit nicht gleich Abfall waren, sondern durchaus repariert wurden, zeigen Flickspuren an Keramikgefäßen vom Seeuferfundplatz Hüde 1 am Dümmer See. In einer Zeit, in der weite Teile Norddeutschlands noch durch spätmesolithische Jäger-Sammler-Fischer-Gruppen besiedelt waren, lag die Siedlung von Hüde im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. in einem Spannungsfeld vielfältiger, gänzlich differenter kultureller Strömungen von späten Jägern und Sammlern und frühen sesshaften, bäuerlichen Gemeinschaften. Diese Gegebenheit hatte auch Auswirkungen auf die lokale Gefäßkeramik, deren Besonderheiten im Material von Hüde besonders markant zum Vorschein kommen. Neben Bischheimer Keramik und entwickelten Trichterbechern liegen auch zahlreiche Gefäße vor, die in die Umbruchphase von Mesolithikum zu Neolithikum im norddeutschen Binnenland zu stellen sind. Sie lassen sich Swifterbant und der frühen Trichterbecher-Phase zuweisen.

Auffällig ist der hohe Anteil an Gefäßen mit Reparaturspuren im Fundmaterial. So weisen unter anderem zahlreiche Gefäßfragmente Durchbohrungen auf, die nach dem Brand durchgeführt worden sind. Die an Bruchstellen, meist paarig gegenüberliegenden Löcher waren mit einer zumeist nicht mehr erhaltenen Schnur fest zusammengebunden. Die Bruchstellen und Löcher wurden anschließend mit Birkenpech – dem Alleskleber der Steinzeit – abgedichtet und das Gefäß konnte wieder genutzt werden. Kleinere Gefäße wurden oft nur unter Zuhilfenahme von Birkenpech geklebt. Diese Art der Reparatur lässt sich eindrucksvoll an einem frühneolithischen Rundbodenbecher aus Hüde beobachten.

Der kleine, etwa 11 cm hohe, S-förmig profilierte Becher besitzt einen Mündungsdurchmesser von ca. 7 cm. Auf der Gefäßschulter sind zwei kleine, gegenständige, waagerecht durchlochte Schnurösen angebracht. Schon während der Nutzungszeit wurde das Gefäß beschädigt, sodass sich ein langer Riss quer über den Gefäßkörper zieht. Diese Beschädigung wurde mit Birkenpech abgedichtet, wobei die Dichtungsmasse teilweise sehr großzügig über die Risse verstrichen wurde. Im unteren Bereich scheint sich zudem auf dem Birkenpech der Abdruck eines Textiles oder einer Matte abzuzeichnen.

Die Methode der Keramikreparatur war im europäischen Neolithikum weit verbreitet. Beispiele finden sich unter anderem in der Linienbandkeramik, wo Gefäße mittels Bohrungen und Schnur an den Bruchstellen fixiert und mit Birkenpech geklebt wurden. Auch trichterbecherzeitliche Keramik und solche der späten Jäger und Sammler weist immer wieder Reparaturspuren auf. Es handelte sich somit um eine geläufige, weit verbreitete Technik.

Da Reparaturspuren in Hüde sehr häufig auftreten, muss davon ausgegangen werden, dass Keramik für die Menschen vor Ort einen besonderen Stellenwert besaß. Gefäße könnten schwer zu ersetzen gewesen sein, da sie nicht in beliebigen Mengen gefertigt oder beschafft werden konnten. Zwar war der funktionale Wert der mit Lochbindung und/oder Birkenpech geflickten Gefäße geringer als der von unbeschädigter Keramik, doch zeugen diese recycelten Gefäße auch vom materiellen und ideellen Wert der Keramik für die frühneolithischen Gruppen am Dümmer See.

Zum Weiterschauen: ein Vortrag von Andreas Kotula Parallelgesellschaft? Späte Wildbeuter und frühe Bauern in Norddeutschland

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