Interview: Was macht eigentlich ein Grabungstechniker?

In unserer Interviewreihe berichten Kolleg*innen aus ihrer täglichen Arbeit innerhalb des Projekts „Denkmalatlas Niedersachsen“. Um die Kulturdenkmale des Landes Niedersachsen zugänglich machen zu können, brauchen wir Experten aus vielen Fachbereichen, die in der Fläche, aber auch vom Computer aus, die Denkmale begutachten, Daten aktualisieren und zur Verfügung stellen.
In dieser Interviewreihe kommen einige dieser Kolleg*innen direkt zu Wort. Die Antworten sind als ihre individuellen Meinungen zu verstehen.


Thorsten Schwarz ist für das Projekt „Denkmalatlas Niedersachsen“ im Landkreis Stade unterwegs, um die Datenbankeinträge archäologischer Denkmale zu überprüfen.


Was macht und wie wird man Grabungstechniker*in?

Eine Definition über die Tätigkeiten eines Grabungstechnikers lässt sich gut auf verschiedenen Internetseiten nachlesen, wobei in meinen Augen die bei Wikipedia tatsächlich der Realität am Nächsten kommt. Dies gilt ebenso für die verschiedenen Möglichkeiten, sich für diesen Beruf zu qualifizieren. Zusammengefasst ist ein guter Grabungstechniker*in die eierlegende Wollmilchsau auf einer archäologischen Ausgrabung. Abgesehen davon, dass er/sie alle handwerklichen Aspekte einer Grabung von der Kelle über die Sicherheit bis zum GIS (Geoinformationssystem) beherrschen muss, gehören körperliche Belastbarkeit, ein fester Charakter und Empathie zu den Grundeigenschaften dieses Berufs. Der Techniker ist der Kitt, der eine Grabung zusammenhält. Er hält dem Wissenschaftler den Rücken frei, arbeitet mit dem Team, motiviert es bei schwierigsten Grabungsbedingungen oder wuppt allein in einem Schnitt stehend alle anfallenden Arbeiten. Dieser Beruf ist unglaublich facettenreich.

Wie sieht ihr typischer Arbeitstag aus?

Einen typischen Arbeitstag gibt es im Zuge meiner Arbeit für den Denkmalatlas Niedersachsen nicht. Hier habe ich es nicht mit einer Ausgrabung zu tun, sondern ich gleiche digitale Informationen mit der Realität vor Ort ab und dokumentiere das in Wort und Bild. Es gibt aber sich immer wiederholende Abläufe.

  1. Vorbereitung des Außendienstes

Dabei werden alle Informationen einzelner archäologischer Denkmale aus der Datenbank und dem digitalen Geländemodell abgerufen und auf die Fragestellung hin ausgewertet, ob eine Kontrolle des Objekts vor Ort notwendig ist. Bei Fragen ziehe ich die Kolleg*innen der Stadt- oder Kreisarchäologie hinzu. Datenblätter werden auf das Tablett gezogen, Karten erstellt und die Position der Fundobjekte in das GPS übertragen. Es werden optimierte Fahrtrouten und Alternativrouten erstellt mit Hinweisen, die kein Navi geben kann. Zum Schluss folgt immer ein Check der Ausrüstung.

  1. Der Außendienst

Möglichst früh bei möglichst wenig Verkehr aufzubrechen, um in aller Ruhe suchen zu können, spart Zeit und Nerven. Eine weitere Erfahrung ist, dass eine fußläufige Kontrolle zumeist sinnvoller ist, als es mit dem Auto zu versuchen. Auf der Karte eingezeichnete Wege sind oft unpassierbar, gesperrt, zu schmal oder hören plötzlich einfach auf. Im Schnitt bin ich 15 bis 25 km am Tag im Außendienst zu Fuß unterwegs. Mit minimalem Gewicht und maximalen Informationsmöglichkeiten ist dementsprechend meine Ausrüstung optimiert. Datenblätter sind auf dem Tablet gespeichert und was ich vor Ort bei der Kontrolle für bemerkenswert halte, spreche ich als digitale Notiz. Die Kamera hat ein GPS-Aufsatz, der die Kameraposition und die Blickrichtung speichert, das Hand-GPS mit Hintergrundkarte führt mich zu den archäologischen Denkmalen, eine geteilte Fluchtstange ist Fotomaßstab und hilft bei der Überwindung von Hindernissen. Der Handwerkergürtel sorgt für freien GPS-Empfang und hält Getränk und Snack bereit.

Im diesem Video sieht man meine Laufwege zum Kartieren und Fotografieren von Grabhügeln.





  1. Auswertung

Im Innendienst werden Fotos und Kontrollinformationen zusammengefasst und entsprechend den Fundobjekten in die Datenbank des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege eingepflegt. Persönlich ist das jetzt nicht meine liebste Aufgabe, aber die Quintessenz meiner Arbeit. Weiterhin entscheide ich nach der Aufnahme im Außendienst, ob ein Anlegen von digitalen Profilschnitten der Denkmale sinnvoll ist. Nicht selten gibt es noch Fragen mit den Kollegen zu besprechen, die der Außendienst aufgeworfen hat.

  1. GO TO 1.


Wie lange benötigen Sie durchschnittlich für die Aufnahme eines archäologischen Denkmals?

Dadurch, dass ich mit verschiedensten archäologischen Denkmalen zu tun habe, ist eine generelle Antwort nicht möglich. Ein Grabhügel geht schneller als ein Deich. Einen Grabhügel im Sommer zu dokumentieren dauert länger als im Winter, weil man durch die Belaubung länger nach einer optimalen Fotoposition suchen muss. Letztlich würde zu diesem Zeitansatz ja auch der Weg zum Denkmal hin und wieder zurück gehören und das ist fast immer ein Faktor mit dem Zeitaufwand X.

Was ist in Ihrem Job besonders oder besonders spannend?

Da hätte ich mehrere Antworten…

  • Das Projekt selbst und ein Teil davon zu sein, ist etwas Besonderes.
  • Absolut faszinierend und herausfordernd ist die ganze, auch zeitliche, Bandbreite an archäologischen Denkmalen, mit denen ich es zu tun habe. Weiterhin verschafft einem das digitale Geländemodell unglaubliche Analysemöglichkeiten bei der Auswertung von Fundstellen. Mit diesen Bildern im Kopf gehe ich in den Außendienst und gleiche diese ab. Dabei lerne ich immer besser beides richtig zu lesen und zu verstehen. Der digitale Schein trügt manchmal und man muss raus um das Erkannte zu verifizieren. So mancher schöne Grabhügel, passend an Ort und Form, entpuppt sich letztlich als ein Haufen Grünabfall im Wald.
  • Die Denkmale führen mich manchmal zu abgelegenen und wunderschönen Gegenden des Landkreises Stade. Die Möglichkeit zu haben, dort einen tiefen Atemzug lang zu verweilen und sich an dem zu erfreuen was man sieht, genieße ich immer wieder. Es erscheint vielleicht ungewöhnlich, aber dieser Job macht mir einfach tatsächlich in all seinen Facetten Spaß.

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