Kleine Formenkunde der Ammerländer Burgen

Von Ulrich Kinder

Der Burgenbestand des Landkreises bietet einen interessanten Querschnitt durch die verschiedenen Bautypen der Region. Er zeigt, dass es zwischen den Burgen der im Mittelalter verfeindeten Grafen von Oldenburg (und seiner Ritter bzw. Dienstmänner) und denen der Friesenhäuptlinge in den heutigen Landkreisen Leer und Friesland keine großen Unterschiede gegeben hat, dass also nicht zwischen der Herkunft der Burgenerbauer und -bewohner differenziert werden kann, sondern lediglich zwischen ihrem sozialen Stand bzw. ihren finanziellen Mitteln. Sowohl im Ammerland als auch in seinem Umland befinden sich Motten (Turmhügelburgen), einfache und komplexe Gräftenburgen (Wasserburgen), neuzeitliche Festungen sowie aus den Gräftenburgen hervorgegangene befestigte Gutshöfe und Vorwerke.

Dass die Burgen des Ammerlands und seines Umlands sich mit geringen Ausnahmen keiner überregionalen Bekanntheit erfreuen, liegt daran dass sie sich wie alle der Burgen der Region „im Flachland verstecken“, also nicht exponiert auf Bergen stehen, die es auf der Geest und der Marsch auch gar nicht gibt. Sie schmiegen sich ganz im Gegenteil in Bachtäler, feuchte Niederungen und andere möglichst tief gelegene Stellen und entziehen sich so dem Auge. Diese für ein Bauwerk eigentlich ungeeigneten Bauplätze erklären sich aus dem Charakter der Burg als Kompromiss aus den unterschiedlichen Anforderungen, die im Mittelalter an den befestigten Wohnsitz eines Adeligen oder Dienstmanns gestellt wurden. Als Wohnung wäre ein trockener und erhöhter Bauplatz vorzuziehen gewesen, die Anforderungen an einen repräsentativen Wehrbau allerdings waren andere: Zum einen musste ein Wehrbau über ein starke Verteidigung verfügen, die sich durch die Anlage von Wassergräben besser in Niederungen, als auf flachen Geesthügeln realisieren ließ. Andererseits scheint die Anlage von Wassergräben mit dazwischengelegenen Erdwällen nicht nur als besonders sicher, sondern vor allem als Statussymbol gegolten zu haben, dem dann wieder wehrtechnische Überlegungen geopfert wurden, da man bei der Standortwahl auch die Überhöhung der Burg durch angrenzendes Gelände in Kauf nahm, wenn nur genug Platz für mehrere Wassergräben war. Ein weiterer Grund für die „Unsichtbarkeit“ der Burgen ist auch das gänzliche Fehlen von Mauerwerk bzw. Gebäuden, speziell Türmen. Das liegt am chronischen Mangel an Baumaterial in einem Gebiet ohne natürliche Steinvorkommen: Kaum war die Burg aufgegeben worden, wurde sie auch schon komplett abgebrochen. Schließlich haben das 19. und 20.Jh. durch das Einplanieren und Überackern der Burgställe das Ihre zum Verschwinden der Burgen getan.

Die älteste heute noch erhaltene Burg des Ammerlands ist die Bokeler Burg (Wiefelstede FstNr. 6). Es handelt sich um einen auch in der weiteren Umgebung sehr seltenen zur Hälfte erhaltenen doppelten Ringwall mit doppeltem Ringgraben von insgesamt 102 m Durchmesser. Der innere Wall ist 1,8 m hoch, der äußere Wall ist immerhin noch 1,3 m hoch, eine Höhe die auch auf moderne Wiederaufbaumaßnahmen zurückgeht. Der innere Graben trennt die beiden Wälle, der äußere Graben außerhalb des äußeren Walls gelegen ist nur noch teilweise erhalten. Mittig im Ringwall befindet sich ein flacher Hügel mit einer Grube, deren Entstehung evtl. auf den missglückten Versuch zurückzuführen ist, einen Brunnen zu graben. Die Ausgrabung im Inneren der Anlage erbrachte eine Datierung der Nutzung der Burg vom 8. - 11.Jh., danach wurde die Burg als Tagungsort eines lokalen Gerichts weiter genutzt und 1849 zur Hälfte abgetragen und überackert. Schriftquellen zur Burg gibt es nicht, so dass unbekannt bleiben muss, wer den mächtigen Ringwall aufschüttete und bewohnte. Die Bokeler Burg ist die einzige Burg weit und breit, deren Gräben aller Wahrscheinlichkeit nach keine Wassergräben waren.

Die Burg Elmendorf-Dreibergen (Bad Zwischenahn FstNr. 25) am Ostufer des Zwischenahner Meers ist die bekannteste Burg der Region. Sie besteht, wie der Name schon sagt, aus drei künstlichen Hügeln oder Motten, von denen der nördliche die Vorburg mit mehreren Holzgebäuden trug. Der östliche Hügel ist mit 7 m Höhe und 50 – 55 m Durchmesser der größte und trug ein zwölfeckiges, turmartiges Holzgebäude von 10 m Durchmesser. Auch der dritte, 5 m hohe Hügel, der ursprünglich etwas größer war, trug ein Holzgebäude. Um die beiden Motten herum verlief ein zwei- bis dreifacher Ringgraben, der heute aber nur noch als breite Senke erhalten ist. Erbaut wurde die Burg über älteren Vorgängerbauten um die Mitte des 12.Jh. von den Vorfahren der Grafen von Oldenburg. Dabei wurden die Motten um ein Stützgerüst aus Eichenbalken herum aufgeschüttet, das erfolgreich das Auseinanderrutschen der Hügel bis heute verhindert hat. Im 14.Jh. gehörte die Burg einer unbedeutenden Kleinadelsfamilie und verfiel bald.

Die Burg Mansingen (Westerstede FstNr. 96) gehört typologisch zwischen die frühen Motten wie Elmendorf und die Gräftenburgen. Entstanden ist sie nach dort gefundener Keramik um 1200, ihre Bewohner waren Vasallen der Grafen von Oldenburg. Die Burg besteht aus einer quadratischen Kernburg die von einem Graben und einem Wall umgeben ist und das Umland um bis zu 2 m überragt, also nicht besonders hoch ist für eine Motte und schon den sich vom Umland nicht mehr in der Höhe abhebenden Gräftenburgen ähnelt. Östlich an die Kernburg schließt eine ebenfalls bis zu 2 m erhöhte und unregelmäßig geformte Vorburg an, die durch zwei flache Gräben in drei Abschnitte geteilt wird, deren Zweck und Nutzung unbekannt sind, da hier nie Ausgrabungen stattfanden. Die Wallgräben bzw. Außenfluchten von Kernburg und Vorburg sind nicht parallel bzw. rechtwinkelig zueinander ausgerichtet, wie bei den später entstehenden Gräftenburgen, sondern stehen schräg zueinander. Um die Vorburg herum verläuft ebenfalls ein Graben mit vorgelagertem Wall. Im Süden und Westen schließt je ein Graben an, der die Gräben der Burg mit Wasser von der Süderbäke versorgte, in deren recht feuchtem Tal die Burg liegt, ursprünglich wohl auf einer Insel zwischen zwei Flussarmen. Verlassen wurde die Burg wohl schon knapp hundert Jahre nach ihrer Erbauung.

Ab ca. 1250 wurden die sogenannten Gräftenburgen erbaut, benannt nach ihrem wichtigsten Bauteil der Graft also dem Wassergraben. Dieser Gruppe gehören die meisten erhaltenen und abgegangenen, aber in ihrer Form bekannten Burgen des Ammerlands an. Womit sich zusammen mit den späten Motten ein ungewöhnlich später Höhepunkt des Burgenbaus im 14.Jh., statt wie überall anders im 12. und 13.Jh. ergibt. Die Gräftenburgen verfügen neben ihren Wällen über keine weiteren künstlichen Aufschüttungen mehr, wie die Motten und sind grundsätzlich als Rechtecke oder Quadrate mit konzentrisch um die Hauptburg (und Vorburg) verlaufenden Wallgräben ausgebildet. Sie sind typologisch in drei Gruppen unterteilbar, von denen die ersten beiden etwas früher datieren, als die dritte.

Die erste Gruppe der Gräftenburgen, die in die 2. Hälfte des 13.Jh. datiert werden kann, besteht aus kleinen Anlagen von unregelmäßigem Grundriss mit einfachem Wallgraben. Zuerst ist das Gut Horn (Wiefelstede FstNr. 71) südlich von Gristede zu nennen. Heute befindet sich hier ein schlossartiges Wohngebäude das im Süden und Südwesten noch von einem 9 m breiten Wassergraben, gespeist vom südlich vorbeifließenden Auebach, umgeben wird. Eine Grabung erbrachte den Befund einer kleinen Burg mit annähernd trapezförmigem Wassergraben und einem Wall mit Tor südlich der Nordecke. Im Norden stand ein Wohngebäude, im Zentrum der Anlage stand ein Fachwerkturm, ein sogenannter Bergfried, der aufgrund seiner leichten Bauweise als Speicherbau anzusprechen ist und von einem eigenen runden Wassergraben umgeben war. Eine Funktion als Wehrbau hatte der Turm nicht, aber als repräsentatives Bauwerk war er typischer Bestandteil großer Bauernhöfe und adeliger Landgüter im Ammerland. Damit präsentiert sich die 1294 als Besitz einer niederadeligen Familie genannte Burg als Mischung aus Burg und Gutshof für die bislang keine Vergleichsbeispiele angeführt werden können.

Im Hellermoor (Bad Zwischenahn FstNr. 156) befindet sich ein Hügel von 47 x 33 m Umfang, der durch einen ehemals nassen Ringgraben vom gleich hoch gelegenen Gelände im Südosten getrennt wird und vielleicht nur teilweise künstlich aufgeschüttet wurde. Er ragt nach Westen und Norden in die Senke des Wasserzugs im Hellermoor hinein. Zu dieser Anlage ist weiter nichts bekannt, ihre Lage im Moor ist zumindest ungewöhnlich, könnte aber mit einer ersten spätmittelalterlichen Kolonisierung des Moors zusammenhängen.

Die Burg Kayhausen (Bad Zwischenahn FstNr. 63) am Südufer des Zwischenahner Meers gibt aufgrund ihres miserablen Erhaltungszustandes Rätsel auf. Ende des 19.Jh. wird sie als rechteckige Gräftenburg mit doppeltem Wallgraben beschrieben. Heute ist zwar noch ein von einem breiten Graben umgebenes Rechteck von 15 x 20 m zu erkennen, von den anderen Wällen und Gräben fehlt aber jede Spur, der hohe Wall im Westen des Grabens ist definitiv modern. Südlich des Rechtecks befindet sich im hier weit nach Süden ausbiegenden Graben noch ein ovales Inselchen, das zur Burg gehört haben aber auch eine jüngere Zutat sein kann. Erwähnt wird die Burg 1385 als Godeke van Keyhusen „to Keyhusen vor syner kemenaden“, also vor seinem Wohnhaus, eine Verkaufsurkunde ausstellte. Wenige Jahre später wurde die Burg nach Ausweis des Fundmaterials nach nur 100 Jahren Nutzungszeit aufgegeben.

Bei der fast gänzlich eingeebneten Burg von Godensholt (Apen FstNr. 24) umgab ein vermutlich rechteckiger Wassergraben den kleinen Burgplatz. Lediglich ein Rest des westlichen Grabens hat sich erhalten. Die kleine Anlage wurde noch bis ins 18.Jh. als Grenzbefestigung des Ammerlands nach Süden benutzt.

Die Burgen der zweiten Gruppe wurden um 1300 errichtet. Es sind zwei nahezu identische Anlagen von denen sich leider nur eine bis heute erhalten, nämlich die Scusselsburg (Bad Zwischenahn FstNr. 14) westlich von Burgfelde an der Speckener Bäke. Die quadratische Kernburg misst 26 x 22 m und wird zuerst von einem breiten Graben, dann einem breiten Wall, einem schmalen Graben, einem schmalen Wall und erneut von einem schmalen Graben umgeben. Von Süden und am Nordwesteck führt ein von schmalen Gräben begleiteter Wegdamm auf den breiten Wall. Damit hat die kleine Burg bei einem Gesamtumfang von ca. 66 x 73 eine doppelten Wall und einen dreifachen Graben. Allerdings ist die Burg um ihre Fläche als Weide nutzbar zu machen über Jahrhunderte von Hand einplaniert worden, so dass es für ein ungeübtes Auge schwierig ist, die nur 0,3 – 0,7 m hohen Geländeunterschiede zu erkennen. Die Burg gehörte den Herren von Aschwege, die sie bereits um 1400 wieder verlassen haben. Die nur 2,3 km oberhalb an der Speckener Bäke gelegene, aber gänzlich eingeebnete Burg Specken wies große Ähnlichkeiten mit der Scusselsburg auf.

Im Gegensatz dazu ist die Burg Conneforde (Wiefelstede FstNr. 18), aufgrund von Einplanierungen kaum mehr erkennbar, deutlich größer. Im Sommer dient sie als Parkplatz und nur wer genau hinsieht erkennt ihre Gräben und ihre noch 0,1 – 0,2 m hohen Wälle gleich nördlich und südlich der Wapel. Sie diente den Grafen von Oldenburg als Grenzburg gegen die Friesen, wurde um 1330 erbaut und bestand aus einer großen quadratischen Kernburg von 62 x 62 m um die sich drei Gräben und zwei Wälle herumzogen. Sie hat einen Gesamtumfang von ca. 164 x 164 m. Bereits 1462 verlor sie ihre Bedeutung, da die Grenze zu Friesland nach Nordwesten verschoben wurde.

Zur dritten Gruppe der Gräftenburgen gehört die heute noch erhaltene Burg von Burgforde, die Burgen Dänikhorst und Dringenburg sind heute Ackerland. Im Gegensatz zur zweiten Gruppe haben die komplexen Gräftenburgen ein zweiteiliges Zentrum, das aus Haupt- und Vorburg besteht. Sie datieren ab 1250 bis in die Mitte des 14.Jh. Außerhalb des Ammerlands wurden sie vermutlich sogar erst im 15.Jh. erbaut. Mit Ausnahme von Dänikhorst handelte es sich um Burgen der Grafen von Oldenburg. Burgforde-Wittenheim (Westerstede FstNr. 2) ist die besterhaltene Gräftenburg im weiten Umkreis. Hauptburg und Vorburg sind fast gleich groß (30 x 30 m zu 30 x 35 m) und wurden von zwei Gräben und einem dazwischenliegenden Wall umgeben. Der innere Graben wurde im Vorburgbereich im 17.Jh. zugeschüttet, als die Burg bereits als Amtssitz und Marstall gedient hat. Der äußere Graben wird im Norden von der Kleinen Norderbäke durchflossen, die ursprünglich alle Gräben flutete. Leider wurde im 18.Jh. die gesamte Bebauung der Burg abgebrochen, an die heute in der Vorburg nur noch zwei langgestreckte Schutthaufen erinnern.

Im 14. und 15.Jh. erlebte überraschenderweise die als Wehrbau und repräsentativer Adelssitz längst veraltete Motte eine Renaissance. Im Ammerland sind es die gut erhaltenen Motten von Gut Hahn, nördlich von Lehmden (Rastede FstNr. 11) und die fast komplett abgetragene Motte von Moorwinkelsdamm (Westerstede FstNr. 4). Das Gut Hahn wird erst im 14.Jh. greifbar, als es an den Ritterorden der Johanniter mit Sitz in Bredehorn übergeht. Da die Motte von Moorwinkelsdamm nur wenige Kilometer südlich von Bredehorn steht und durch ihr Fundmaterial ins 15./16.Jh. gehört, scheinen sie zu einem von den Johannitern initiierten Burgenbauprogramm zu gehören, das auch die große Motte Hohe Burg beim Hof Lindern (FRI) einschließt. Beide Ammerländer Motten waren von einem kaum mehr sichtbaren Graben umgeben. Über die Motte Hahn zieht sich ebenfalls ein Graben, der vermutlich ein illegaler historischer Grabungsschnitt ist. Sie hat einen Durchmesser von 20 m bei einer Höhe von 2 m. Was die Johanniter, aber nicht nur sie, mit dem Bau der Motten bezweckten, ist unklar. Vielleicht wollten sie einige ihrer Gutshöfe an der Grenze zwischen Friesland und dem Ammerland mit einem klassischen Symbol des Rittertums markieren, obwohl sie selbst als friesische Johanniter nicht dem Adel entstammten.

Natürlich bricht die Entwicklung der Burg nicht im 15.Jh. ab. Mit der Einführung der Feuerwaffen wurden neue Verteidigungskonzepte entwickelt und auch umgesetzt. Das einzige Exemplar einer solchen Festung befand sich in Apen (Apen FstNr. 4). Von dieser oldenburgischen Grenzfestung haben sich aber nur der Wassergraben und ein letztes kurzes Wallstück erhalten. Um 1515 wurde sie als Quadrat mit je einem Rondell an der Nordost- und der Südwestecke und mehreren Gebäuden im Inneren erbaut und bis ins frühe 18.Jh. weiter ausgebaut, dann aber komplett eingeebnet, da sie den Anforderungen an eine Festung eigentlich schon seit 200 Jahren nicht mehr entsprach.

Eine weitere Entwicklungslinie führt von der Gräftenburg zu mit Wällen und Wassergräben versehenen Schlössern, wie Eyhausen (Bad Zwischenahn FstNr. 24), dem Gut Loy (Rastede FstNr. 91) und Fikensolt (Westerstede FstNr. 13). Letzteres entstand über einer zuvor einplanierten Gräftenburg, das Gut Loy vielleicht ebenfalls. Diese Wallgräben sind aber weniger als Wehranlagen zu betrachten, denn als klassisches Zitat, das dem Betrachter der Anlage zeigte, dass er es hier nicht mit einem gewöhnlichen Gutshof oder emporgekommenen Neureichen, sondern mit einem adeligen Ansitz zu tun hat. Auch weniger bedeutende Gutshöfe wurden mit einem Wassergraben umgeben, der natürlich auch eine gewisse Schutzfunktion hat, aber mehr als repräsentatives Element gedacht war, so das komplett abgebrochene Vorwerk des Schlosses von Rastede (Rastede FstNr. 118).




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