Spuren einer Kulturlandschaft: Die historische Oberharzer Wasserwirtschaft mit ihren Kunstteichen
Der Harz stellt das größte und höchste Mittelgebirge Norddeutschlands dar. Sein Aussehen wird durch ausgedehnte Wälder und tief eingeschnittene Täler mit zahlreichen Flussläufen, Wasserfällen und Hochmooren charakterisiert. Berühmt ist er für seinen Reichtum an Erz- und Mineralvorkommen, was ihn zu einen der bedeutendsten montanhistorischen Reviere Europas macht. Der über die Jahrtausende erfolgte Bergbau hinterließ zahllose Spuren und prägt die natürliche Landschaft bis heute in einem hohen Maße.
Hierzu gehört für die Zeit zwischen dem 16. bis 19. Jh. auch die Oberharzer Wasserwirtschaft – sie gilt als das weltweit bedeutendste vorindustrielle Energieversorgungssystem und gehört zusammen mit dem Erzbergwerk Rammelsberg und der Altstadt von Goslar zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Die historische Oberharzer Wasserwirtschaft erstreckt sich auf einer Fläche von 200 km² und besteht aus einem hochkomplexen System von ca. 500 km Kunstgräben, 31 km Wasserläufen, 100 km Wasserlösungsstollen sowie 149 Kunstteichen. Dieses System hatte die Aufgabe, das Wasser der reichen oberharzer Niederschläge auf möglichst hohem Niveau zu sammeln, zu speichern und abzuleiten, damit genügend Energie für den Betrieb der Bergwerke erzeugt werden konnte. Dies war deshalb notwendig, weil spätestens seit dem Mittelalter der Bergbau Tiefen erreichte, die ohne maschinelle Hilfe nicht bewältigt werden konnten. Ein großes Problem stellte dabei das in die Grubenbaue einsickernde Wasser dar, welches permanent herausgehoben werden musste. Dies geschah mit Hilfe von Pumpen, die durch Wasserräder angetrieben wurden. Dabei konnten große Wasserräder eine Leistung von etwa 12 PS aufbringen.
Für den Betrieb der Wasserräder musste das Aufschlagwasser dauerhaft zur Verfügung stehen. Die Bereitstellung von Aufschlagwasser war aber besonders in den trockenen Perioden schwierig: Die ergiebigsten Bergwerke lagen recht hoch im Gelände, wo es nur wenig Bäche mit kleinen Einzugsgebieten bei witterungsbedingt stark schwankenden Abflüssen gab. Daher mussten die Bergleute Vorrichtungen schaffen, das Wasser zu speichern. Dies erfolgte in den 149 bekannten Kunstteichen, von denen heute noch 65 als Talsperren dienen und für jeden Wanderer deutlich in der Landschaft zu erkennen sind. Der größere Teil der Teiche führt kein Wasser mehr und ist im Gelände nur für das geübte Auge sichtbar.
Drei Kunstteiche im Schalketal
Auch in der Gegend um Schulenberg im Oberharz wurde Silberbergbau betrieben. Das Wasser für die Energieversorgung stammte vom kleinen Bach namens „Schalke“ und wurde in drei kleinen Kunstteichen - dem Mittleren, Oberen und Unteren Schalker Teich - gespeichert. Die Stauteiche im Oberharz sind in der Regel als Erdbauwerke konstruiert. Dabei weisen die älteren Teiche eine Außendichtung aus Rasensoden an der wasserseitigen Seite und vorgelagerten Striegel zur Wasserregulierung auf. Das Damminnere besteht aus dem örtlich gewonnen, in der Regel sehr steinhaltigen Boden. Diese so genannte „alte Bauart“ wurde ab dem 18. Jh. durch die „neue Bauart“ abgelöst, bei der die Rasensodendichtung und auch der Striegel von außen in die Mitte des Dammes verlegt worden sind. Die Schalker Teiche, von denen heute nur noch der Untere als Talsperre angestaut und betrieben wird, sind ein eindrucksvolles Beispiel für Anpassungen, Fehler und die Anwendung beider Bauweisen über die Jahrzehnte hindurch.
Der Mittlere Schalker Teich
Der Mittlere Schalker Teich ist vor 1680 gebaut und damit der älteste der drei Teiche. Nachdem der Bergbau der Erzgruben um Schulenberg und Festenburg im 19. Jahrhundert eingestellt wurde, ist der Teich abgeworfen worden. Dazu wurde damals aus Sicherheitsgründen der Teichdamm bis auf die Sohle geschlitzt, damit das Fließgewässer wieder unbeeinflusst den Damm passieren konnte.
Der Obere Schalker Teich
Um 1711 folgte als zweiter Teich die erste Version des Oberen Schalker Teiches, dessen Fassungsvermögen schon zwei Jahrzehnte später als zu klein galt. Die Vergrößerung erfolgte üblicherweise durch eine Erhöhung des Dammes. Vor Ort zeigte sich jedoch, dass die Errichtung eines neuen Dammes etwa 80 Meter südlich bei geringerem Dammschüttvolumen deutlich mehr Stauraum erbringen würde. Daher wurde der alte Damm abgetragen und sein Material zusammen mit zusätzlich gewonnenem Material an neuer Stelle verwendet. Dieser gehörte nun mit einer Höhe von 14,35 Metern über Talsohle zu den größten Staudämmen des Oberharzer Bergbaus. Aber auch er wurde im 19. Jh. abgeworfen, allerdings reichte der Schlitz nicht bis zum Niveau der Talsohle. Die Gründe hierfür sind unklar. Vermutlich floss das Wasser zunächst durch das Holzgerenne des Grundablasses, später durch die dort verbliebenen Hohlräume. Dies reichte wohl aber nicht aus, da sich wie im Jahre 2002 beobachtet, noch durchaus Wasser bei Hochwasser anstauen konnte.
Der Untere Schalker Teich
Ab dem Jahre 1729 wurde der Untere Schalker Teich gebaut. Er war der erste Teich der neuen Bauart, bei der man die Dammdichtung aus Rasensoden in die Dammmitte verlegte. Bereits im Dezember 1733 brach der Damm. Die Flutwelle forderte mehrere Todesopfer im darunter gelegenen Schulenberg und verursachte schwere Verwüstungen. Dieser Damm wurde wenig später in einer deutlich verstärkten Version wiederaufgebaut und ist bis heute noch weitgehend unverändert in Betrieb.
Die Schalker Teiche heute
Das schwere Hochwasser 2017 führte wohl zur Anstauung des Oberen Schalker Teiches mit schlimmen Folgen. Der Anstau bewirkte starke Durchsickerungen und eine Überströmung des unvollendeten Dammschlitzes. Dies führte letztlich dazu, dass der Damm am Nachmittag des 27. Juli 2017 brach und eine Wassermenge von grob 50.000 Kubikmetern in kürzester Zeit zu Tal ging. Der Dammschlitz im unterhalb gelegenen Mittleren Schalker Teich ließ die Flutwelle nahezu ungebremst durch, während der in Betrieb befindliche Untere Schalker Teich die Welle etwas verzögern konnte. Letztlich müssen drei Flutwellen durch Oberschulenberg gegangen sein. Nach dem ersten Dammbruch sind wohl auf dem Damm stehende Bäume in die Bruchstelle gestürzt und haben, zusammen mit hereingestürzten Rasensoden und Dammschüttmaterial für einen neuen Anstau gesorgt, der dann auch wieder mit einem Bruch der Blockade zu Tale ging. Es ist bemerkenswert, dass der unterhalb gelegene Untere Schalker Teichdamm diese Wassermassen gut und mit nur geringen Schäden verkraftet hat.
Durch dieses Unglück wurde jedoch das Innere der beiden Teichdämme sichtbar, die nun genauer untersucht werden konnten. Beim Oberen Schalker Teich war die in der Mitte angelegte Rasensodendichtung noch hervorragend erhalten. Wasser- und luftseitig der Dichtung schloss sich der Schüttkörper an, der aus augenscheinlich homogenem Material geschüttet worden ist. Richtung Westen sieht man deutlich, dass hier der Striegelschacht gewesen sein muss, der besonders von kaum verrotteten Rasensoden umschlossen war. Beim Mittleren Schalker Teich konnte die Rasensodendichtung an der Wasserseite gut beobachtet werden. Außerdem wurde das Gerenne mit dem Striegelkasten freigespült. Besonders wertvoll war aber die Möglichkeit, die ursprüngliche Oberfläche auf der der Teichdamm errichtet wurde näher in Augenschein zu nehmen. Dabei ist die Erkenntnis interessant, dass die Dammaufstandsfläche nicht vom Oberboden befreit wurde. Der Damm steht auf den Baumstuken und Grasflächen von 1733. Die aus Dammerde geschüttete Luftseite bedeckte zudem zwei alte Holzkohlemeiler.
Ihre heutige Sichtbarkeit im Gelände ist einem extremen Hochwasserereignis im Juli 2017 geschuldet, bei dem auf der einen Seite die Dämme des Oberen und Mittleren Teiches stark beschädigt wurden, auf der anderen jedoch erst interessante Einblicke in die Bauweise ermöglichten. Die beeindruckenden Reste dieser großen Dammbauwerke sind leider direkt nicht zugänglich, da jederzeit an den sehr steilen Böschungen Erdrutsche ausgelöst werden können.
Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 40. Jg. (2020), Heft 2, S. 32–37.