Die zwei Megalithgräber von Kleinenkneten

Von Frank Both

Bei Wildeshausen im Ldkr. Oldenburg befinden sich dicht beieinander liegend zwei Megalithgräber, die so genannten „Großen Steine“. Sie liegen in einem archäologisch reichen Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft des Pestruper Gräberfeldes und sind Bestandteil des Grabungsschutzgebietes. Früher gern als „Quadratmeile der deutschen Vorgeschichte“ bezeichnet, sind die Megalithgräber auch heute noch touristisch bedeutend als Bestandteil der „Straße der Megalithkultur“.

Sie wurden 1934 bis 1939 jeweils wenige Monate im Jahr vollständig ausgegraben. Abgesehen von wenigen Wochen, in denen Prof. Dr. Jacob-Friesen aus Hannover und dann Prof. Dr. Matthes aus Hamburg die Leitung innehatten, wurden die Gräber durch den damaligen Oldenburger Museumsleiter Michaelsen untersucht. Durch die Ausgrabungen sollte geklärt werden, ob die so genannten Hünenbetten Grabanlagen waren, oder etwa Unterbauten für „Germanische Gotteshäuser“, wie der Oldenburger Architekt Hermann Wille während der ideologischen Verwirrungen jener Jahre behauptet hatte. So werfen die Arbeiten auch ein Licht auf die archäologische Arbeit der 30er-Jahre in Niedersachsen und die politischen Einflüsse dieser Zeit.

Die beiden Grabanlagen der jungsteinzeitlichen Trichterbecherkultur (3600 bis 2800 v. Chr.) sind forschungsgeschichtlich von großem Interesse, vor allem Grab II mit seinen drei Grabkammern. Die mittlere Grabkammer war vor Beginn der Ausgrabungen gar nicht bekannt und sichtbar. Sie wurde erst während der Grabungen entdeckt. In der Erfassung von Sprockhoff von 1930 taucht die mittlere Grabkammer in der Umzeichnung deshalb noch gar nicht auf.

Die Gräber sind so genannte Ganggräber.

Grab I: Hierbei handelt es sich um ein rechteckiges Hünenbett, nord-südlich ausgerichtet, mit einer Grabkammer in der Mitte der Anlage. Das Bett ist 49 m lang und 7 m breit. Die Kammer hat die Maße von 6 m lang, 2,4 auf 2,1 m breit und 1,6 m hoch.

Die meisten Steine der Umfassung standen bei der Ausgrabung noch ursprünglich. Die Grabkammer lag bis zur Höhe der Trägersteine im Erddamm. Die trapezförmige Grabkammer hatte noch 11 Tragsteine und einen original liegenden Deckstein. Die Kammer war mit einer doppelten Lage Rollsteinen gepflastert. Das Zwickelmauerwerk von Kammer und Einfassung fehlte. Der Kammerinhalt war aber bis auf das Kopfsteinpflaster schon durchgewühlt. Es konnte die sorgfältige Auswahl und Zuarbeitung des Steinmaterials für den jeweiligen Zweck beobachtet werden. Die Umfassungssteine zeigen ihre vom Eis glatt geschliffenen Seiten nach außen, wohl um eine möglichst glatte Wand zu bilden. Zwischenräume wurden mit kleinen Steinen ausgefüllt. Der Raum zwischen Umfassungssteinen und Kammer war mit Erde aufgefüllt. Nach der Ausgrabung wurde die Anlage in den Zustand versetzt, wie man sich das Grab ursprünglich vorstellte. Es wurden viele Funde gemacht: Neben jeder Menge Tongefäße noch Feuersteinbeile, Äxte aus Felsgestein, querschneidige Feuersteinpfeilspitzen und Bernsteinperlen.

Grab II:  Die Gesamtlänge des NO – SW ausgerichteten Hünenbettes beträgt 34 m, die Breite an den Enden 8 m, 6 m in der Mitte. Ungewöhnlich sind die 3 Grabkammern. Kammer 1 ist fünfjochig, mit 5 Decksteinen, aber kein erkennbarer Zugang. Der Zugang könnte aber an der südwestlichen Seite gewesen sein, worauf eine Lücke in der Kammerwandung hindeutet und ein bei der Grabung gefundener Schwellenstein. Funde sind Gefäßreste, darunter 2 Kragenflaschen und eine früher so interpretierte Tonlampe.

Kammer 2 ist sechsjochig, 2 Decksteine waren erhalten, heute nur noch einer. Eingang an der SO-Seite mit 2 Trägersteinpaaren. Schwellenstein und Verschlussstein waren erhalten. Von der Kammer nimmt der Ausgräber Michaelsen an, dass sie bis zur Ausgrabung weitgehend ungestört war. Im Innern fand man neben Gefäßresten auch ganze Gefäße. Feldsteinlagen und kleine geschlossene Pflasterungen gehen evtl. auf Unterteilungen des Kammerinneren für einzelne Bestattungen zurück. Es fanden sich auch Reste einer Feuerstelle in der Kammer.

Kammer 3 in der Mitte gelegen ist ebenfalls sechsjochig. Der Zugang zur Grabkammer an der SO-Seite wird von zwei Trägersteinpaaren gebildet. Fundmaterial waren ein Feuersteinbeil, einige Keramikgefäße, mindestens die Hälfte davon unverziert und ein Kupferplättchen.

Die Vermutung bei dem Megalithgrab ist: Ursprünglich handelte es sich um zwei separate Steingräber mit ovalem Steinkranz, die mit Bau der dritten Kammer dazwischen zu einem Großsteingrab zusammengewachsen sind.

Unglücklicherweise ist ein Teil der Grabungsdokumentation durch Kriegseinwirkungen unwiederbringlich zerstört worden. Etwa 100 Glasplattennegative sind erhalten geblieben, dazu 413 Fotonegative. Sie bieten die Chance, die Grabungssituation dreidimensional zu rekonstruieren und vor dem Hintergrund aktueller Forschungsfragen neu zu interpretieren. Lassen sich z. B. Hinweise gewinnen zu Bestattungszeremonien oder Deponierungsprozessen? Oder entspricht die Rekonstruktion von Grab I auch dem Aussehen in der Jungsteinzeit?



Literatur
Henning Haßmann, Ursula Warnke, Megalithgräber in Weser-Ems. Monumentalarchitektur aus der Steinzeit. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 2/2019, 111–115.
Karl Michaelsen, Die Ausgrabung der beiden Hünenbetten von Kleinenkneten in Oldenburg 1934-39. Oldenburger Jahrbuch 75/76, 1975/76, 215–249.
Ernst Sprockhoff, Zur Megalithkultur Nordwestdeutschlands. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 4, 1930, 1–55.

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