Die ehemalige Stiftskirche St. Alexandri in Wildeshausen

Von Kerstin Klein

Das ehemalige Chorherrenstift mit der Alexanderkirche gründete im Jahr 851 Graf Waltbert, ein Enkel des Sachsenherzogs Widukind, am Stammsitz seines Geschlechts in der Stadt Wildeshausen, Landkreis Oldenburg. In die Kirche überführte er aus Rom die Gebeine des heiligen Alexander. Der Grundstein für die heutige Kirche wurde 1224 gelegt. Vollendet war der Backsteinbau wohl in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Teile des zweischaligen Granitquadermauerwerks des Westbaus mit seiner Zweiturmfassade, der dem sächsischen Westriegel des 11. und 12. Jahrhunderts entspricht, sind noch erhalten geblieben. Er wurde in den heutigen Bau integriert, sodass davon ausgegangen wird, dass die heutige Kirche auf dem Grundriss eines Vorgängerbaus errichtet wurde. Der Grundriss der dreischiffigen Basilika mit Querschiff und quadratischem Chor ist dem des Osnabrücker Doms verwandt. Somit nimmt die Kirche in Nordwestdeutschland eine herausragende Position und Mittlerfunktion zwischen dem westfälischen und norddeutschen Raum ein.

Bei späteren Baumaßnahmen wurde auf den Westbau ein kubischer Turm aus Backsteinen gebaut. 1641 wurden im Querhaus und in den Seitenschiffen und 1664 im Chor Maßwerkfenster eingebrochen. 1637–40 wurde das Hauptdach bis zur Traufe des nördlichen Seitenschiffs heruntergeführt.

Im 19. Jahrhundert wurden dann der Kreuzgang und die Nikolaikapelle zwischen dem Nordquerarm und dem Chor abgebrochen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereitete der Bauinspektor in Oldenburg und Architekt Ludwig Wege, ein Schüler von Conrad Wilhelm Hase, die Gesamtrestaurierung des Kircheninnenraums vor. Er plante, die Kirche im spätromanischen Stil unter Beibehaltung eines Teils der gotischen Ausstattung zu gestalten. Nachdem 1907 das gesamte Inventar – die Emporen, das Gestühl, die Kanzel, der Altar und die Grabplatten – entfernt worden war, kam es zu erheblichen Protesten. Mitglieder der Baukommission, wie der Regierungsrat Prof. Mohrmann, der Vereinigung nordwestdeutscher Künstler und des Vereins für niedersächsisches Volkstum beriefen sich auf Ruskins Forderungen zum sorgfältigen Umgang mit alten Bauwerken und auf die Forderungen Georg Dehios, dass ein Denkmal ein Urkundenbuch aller Zeitschichten sei.

Nach dem Tod von Wege 1908 führte der Baurat Adolf Rauchheld die Maßnahme weiter. Er verfolgte dabei die Forderung, das Denkmal als Quelle zu akzeptieren und Ergänzungen in der zeitgemäßen Formensprache erkennbar zu machen. Die Umsetzung dieser Haltung übernahm der Architekt Alexander Former, der das Schleppdach an der Nordseite entfernen ließ, um den Obergaden wieder sichtbar zu machen und das Licht über die Obergadenfenster ins Kirchenschiff hereinzulassen. Den Ostgiebel des Chores ließ er neu mauern und die Maßwerke der Fenster erneuern.

Das Kircheninventar und die Ausmalung wurden nach Entwürfen von Karl Rohde geschaffen. Die Kanzel aus rotem westfälischem Sandstein in Form eines Zylinders hat Füllungen, die mit Allegorien des Lebensalters bemalt wurden. Die Emporen sind blau und mit Blumen in Form eines „modernen Bauernstils“ bemalt. Das blaue Gestühl ist mit ornamentaler Schnitzerei von dem Bildhauer Michaelsen verziert. Der Altar ist aus hellem Sandstein und wirkt, betrachtet man nur den steinernen Teil des Altars, wie ein Block. Auf der Mensa befindet sich ebenfalls ein steinerner Aufsatz, mit der Funktion einer Predella, der mittig mit Goldmosaik dekoriert und von blauem Mosaik gerahmt ist und seitlich von zwei in den Stein gehauenen Engeln verziert ist. Auf der Mitte der Mensa steht ein bronzenes Altarkreuz. Das Kreuz und die Engel stammen von Max Gökes. Betrachtet man den Altar hingegen aus der Ferne, nimmt man die farbigen Chorfenster als Altarschrein mit kleinen Altarflügeln und stilisiertem Gesprenge wahr. Auf dem mittleren Chorfenster ragt Christus durch sein rotes Gewand optisch hervorgehoben heraus. An den Seiten sind ihm die Evangelisten zugeordnet und in den Seitenfenstern wenden sich ihm je zwei Engel zu.

Das Langhaus, die Vierung und die Querhäuser sind monochrom in einem ockrigen Rosaton gestrichen. Der Chor hingegen wird durch die intensive Farbigkeit und die Ornamentik der Baugliederung hervorgehoben. Die Wandflächen sind in einem Umbraton monochrom gestrichen. Der Gurtbogen, die Gewölbeflächen, die Fensterlaibungen, die Wandnischen, die Gewölberippen und Pfeilersäulen sind farbig, kontrastreich und mit geometrischen Mustern gefasst. Betrachtet man die Gestaltung des Raumes in dem zeitgenössischen Kontext, so entspricht sie dem von Adolf Rauchheld, Heinz Stoffregen, Friedrich Mettegang und Georg Karl Rohde entwickelten, dem Werkbund nahe stehenden Reformstil. Er hat mit seiner streng grafischen und dekorativen Gestaltungsform nur wenig Bezug zu den von der französischen Art Nouveau beeinflussten Jugendstilformen.

Ein nicht weniger bedeutsamer Schatz befindet sich im ehemaligen Kapitelhaus, das sich als langer Flügel südlich an die Kirche anschließt. Eingebunden zwischen dem Chor und dem südlichen Querhaus, befindet sich der ehemalige Kapitelsaal mit seinen eindrucksvollen mittelalterlichen Wandmalereien. Der Raum besitzt ein aus Ziegeln gemauertes Kreuzrippengewölbe ohne Schlussstein. Die Bandrippen laufen ohne Übergang in die Raumecken und nur zur Südwestecke bildet ein konsolartiges Gebilde ein Auflager. Die Nordwand ist zweischalig aufgebaut. Nach Süden schließt eine Mauer aus Granitfindlingen den Raum ab. Die Wände sind mit umfangreichen Resten mittelalterlicher Kalkmalereien bedeckt. Die Bandrippen im Gewölbe werden von Rankenmalereien begleitet. Auf der Westwand fällt eine Szene mit drei Reitern auf, die als Falkenjagd bezeichnet wird. Sie ist die Hälfte einer Vergänglichkeitsdarstellung, der Begegnung der drei Lebenden und der drei Toten. Diese Malerei sowie Fragmente und ornamentale Malereien im oberen Wandbereich der Nordwand werden um 1270 datiert. Ob die Darstellung der drei Toten noch unter der jüngeren frühgotischen Ausmalung vorhanden ist, lässt sich derzeit nur vermuten. Diese Malerei wurde auf einem einschichtigen Kalkmörtel ausgeführt, auf den in noch feuchtem Zustand ein mehrschichtiger Kalkanstrich aufgetragen wurde. Technisch gesehen ist die Malerei wie ein Fresko ausgeführt. Die Binnenflächen wurden farbig angelegt und anschließend dunkelgrau und schwarz konturiert. Die Münder, die Augen und die Nasen wurden dunkelrot abgesetzt.

Geprägt wird der Raum heute jedoch von dem um 1430 entstandenen Zyklus aus der Jugend und Passionsgeschichte Christi. Bemerkenswert dabei ist, dass ein unmittelbarer Werkstattzusammenhang mit Malereien im Bremer Dom-Museum und in der ehemaligen Klosterkirche Lilienthal, Landkreis Osterholz, besteht. Der „Leben-Jesu-Zyklus“ ist über einer Vorhangmalerei in Registern angeordnet. Außer auf der Ostwand sind alle Szenen, wie bei Tafelbildern üblich, rot eingerahmt und mit schablonierten Rosetten verziert. Auf der Westwand recht umfassend erhalten, dünnt der Bestand auf den anderen Wänden aus. Die Kalkmalereien wurden direkt auf den spätgotischen Malereien ausgeführt. Dazu wurde eine Ausgleichsschicht aus Kalk und grobem Sandzuschlag mit einer Malerbürste aufgetragen. Darauf folgen eine circa zwei Millimeter dicke Schlämme mit feinem Sand als Zuschlagsstoff und mehrere Kalktünchen. Die Bildmotive wurden schnell in hellroten Linien auf die noch frische Schlämme skizziert. Danach legte der Maler die Binnenflächen an. Die Konturen der Figuren und die architektonischen Details wurden weitgehend der Vorskizzierung folgend dunkelrot nachgezogen. Die Inkarnate und die Konturen der Gesichter sind zum Schluss ausgeführt. Ein Teil der Wandmalereien wurde 1892 freigelegt und mit einer Rupfenbespannung geschützt. Von 1953 bis 1968 wurde der restliche Malereibestand freigelegt.

 

Zum Weiterlesen:

Stift St. Alexander im Denkmalatlas Niedersachsen

Abbildungsnachweise:

  • 1 Tobias Trapp, Oldenburg
  • 2 Ochsenfarth Restaurierung GmbH, Paderborn (Venherm)

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