Feinster Beton. Das Mausoleum Völkers auf dem Stadtfriedhof Engesohde in Hannover

Von Rocco Curti

In der Hannoverschen Südstadt entstand ab 1864, westlich der Hildesheimer Straße in der Nähe des Döhrener Turms und heute östlich des Maschsees gelegen, der Stadtfriedhof Engesohde. Die ursprüngliche Anlage umfasste zu Beginn nur den heutigen nördlichen Teil des Friedhofs, sie wurde allerdings bereits in den 1880er Jahren an der Alten Döhrener Straße nach Süden hin erweitert und erreichte ihre heutige Größe. An der heutigen Orli-Wald-Allee 2 (ehemals Alte Döhrener Straße 96) nimmt das Eingangsbauwerk – ein von Stadtbaumeister Ludwig Droste 1864 errichteter langgestreckter Bau des Historismus aus gelben und roten Backsteinen mit Sockel-, Zier- und Gliederungselementen aus hellgrauem Sandstein – den Besucher in Empfang. Um 1912 wurde das Eingangsgebäude von Stadtbaumeister Oskar Barnstorf westlich durch eine neue Friedhofskapelle erweitert, die sich stilistisch an den Altbau von Droste anpasst und mit ihm eine Einheit bildet (vgl. Wolfgang Neß et al. 1983, S. 117–118). Der Friedhof selbst kann zu Recht als Hannoverscher „Promintentenfriedhof“ bezeichnet werden. Zahlreiche prominente Bewohner Hannovers haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden, darunter beispielsweise die Stadtdirektoren Ferdinand Haltenhoff, Heinrich Tramm und Johann Carl Hermann Rasch, aber auch der Kaufmann und Direktor der Continental Reifenfabrik Siegmund Seligmann, die Tänzerin Yvonne Georgi und der Dadaist Kurt Schwitters, um nur einige zu nennen. Architekturliebhabern ist der Friedhof als Begräbnisstätte von Persönlichkeiten der deutschen und europäischen Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts bekannt: Der Architekt Conrad Wilhelm Hase, Hofbaurat Georg Ludwig Friedrich Laves, Stadtbaurat Rudolph Hillebrecht und der Architekt Dieter Oesterlen liegen hier, neben vielen weiteren Künstlern, Bildhauern und Bauschaffenden, begraben. Zuletzt wurde 2013 der bedeutende Denkmalpfleger und Architekturhistoriker Günther Kokkelinkauf dem Stadtfriedhof beigesetzt. Aus denkmalfachlicher Sicht ist zu betonen, dass sich viele herausragende Grabmale des späten 19. und frühen 20. Jahrhundertsauf dem Friedhof befinden. Darunter die Grabmale der Familie Heimann (um 1890), der Familie Schlüter (1895) und der Familie Köhler (1903). Einige Grabmale zieren die nördlichen und südlichen zum Friedhof hin offenen Arkaden des Eingangsgebäudes von Droste (Ludwig Drostes Grabmal ist ebenfalls auf dem Friedhof zu finden).

Neben der Vielzahl an einzelnen, meist stelen- oder plattenartigen Grabmalen weist der Stadtfriedhof – und das ist eine Besonderheit – zahlreiche Grüfte beziehungsweise Grabmausoleen von Familien auf. Als Mausoleum kann eine geschlossene, oftmals zweigeschossig ausgebildete Kleinarchitektur bezeichnet werden, die als gebautes, repräsentatives Element der Trauer- und Begräbniskultur dem Totengedenken dient. Die als Grablege fungierende Gruft und der darüber liegende, begehbare Andachtsraum kommen in manchen Bauwerken auch als ein einziger zusammengefasster Raum vor. Seit 2013 beschäftigt sich die Landeshauptstadt Hannover von Seiten des Fachbereichs Umwelt und Stadtgrün, Bereich Städtische Friedhöfe und von Seiten des Gebäudemanagements aus mit einer wie zuvor beschriebenen Kleinarchitektur: dem wohl ab 1911 erbauten Mausoleum der Familie Völkers auf dem Friedhof Engesohde (Abb. 1). Es handelt sich hierbei um einen, im südöstlichen Teil des Friedhofs gelegenen, kleinen Bau, der mit seinem erhöhten Mittelteil (unter Satteldach) und den beiden niedrigen Seitenteilen (jeweils unter Pultdach) an eine romanische Basilika erinnert. Obergadenartige Fenster an den Seitenflächen des Mittelteils und Schlitzfenster an den Seitenfassaden sowie die romanisierenden Bogengestaltungen an der Eingangsfassade verstärken im Zusammenspiel mit dem Baudekor diesem Eindruck (Abb. 2). Die gegenüberliegende Süd-Westseite des Bauwerks ist sehr schlicht gestaltet und bis auf eine kleine Lüftungsöffnung fenster- und öffnungslos. Das Mausoleum misst in etwa vier auf vier Meter im Grundriss und verfügt über eine Innenraumhöhe von etwa vier Metern. Die Bauakten belegen, dass der Neubau der Grabstätte der Familie Völkers von 1911 (Baubeginn) wohl Nachfolgebau einer Gruft derselben Familie aus dem Jahre 1906 ist. Laut Bauakten zeichnet der Bildhauer Adolf Becker aus Hannover für den Bau verantwortlich (vgl. Pratesi 2013, S. 4). Die ältere Gruftanlage, so stellte sich während der Sanierungsmaßnahmen durch endoskopische Untersuchungen heraus, befindet sich in intaktem, leeren Zustand nach wie vor unter dem Bauwerk. Die große Besonderheit, die das Mausoleum als Kulturdenkmal zu einem kostbaren Denkmalbestandteil des Friedhofs und der Denkmallandschaft der Stadt Hannover macht, ist – neben seinem guten Überlieferungszustand – seine Konstruktionsart: Es handelt sich um ein Bauwerk aus Beton. Ina Pratesi benennt die Konstruktion 2013 nach erster restauratorischer Einschätzung, wie sie sich augenscheinlich und nach erfolgter Bauaktenrecherche beschreiben lässt, wie folgt: „Mit den Wandoberflächen des Mausoleums wurde sehr gekonnt ein klassischer Natursteinbau mit scharriertem Quaderwerk und Natursteinplastik imitiert (helle Sandstein- oder Kalksteinoptik). Tatsächlich handelt es sich um einen modernen Eisenbetonbau mit gegossenen Bauelementen sowie vermutlich auch steinmetztechnisch bearbeiteten Kunststeinoberflächen. Das Satteldach und die seitlichen Pultdächer haben eine strukturierte Betonplattenabdeckung. Die Konstruktion geht aus Planzeichnungen von 1911 hervor. Die Eisenbetonkonstruktion hat einen Füllbetonkern (Kies und Splittzuschlag bis circa 2 cm Durchmesser) und im Außenbereich eine circa 2,5 cm dicke Feinbetonschicht (Zuschlaggröße bis circa 3 mm Durchmesser)“ (Pratesi 2013, S. 5). Christina Krafczyk benennt den Bau aus bautechnikgeschichtlicher Sicht als Betonwerksteinbau: „Ein schönes Beispiel für die vielseitige Verwendung von Kunststein – beziehungsweise Betonwerkstein – im Hochbau ist das Völkers-Mausoleum in Hannover, derzeit Gegenstand einer Sanierung [...]. Hier kann der damalige Anspruch bei der künstlerischen Verwendung von Betonwerksteinen sichtbar nachvollzogen werden: Dieser sollte aussehen wie ein Naturstein, bearbeitet werden können wie Naturstein, gleichzeitig aber kostengünstiger und dauerhafter sein als ein solcher“ (Krafczyk 2015, S. 2).

Das aus der Nutzung gefallene, leerstehende Mausoleum, das im Jahre 1984 in den Besitz der Landeshauptstadt Hannover übergegangen ist, weist neben der besonders wertvollen Außenfassade im Inneren einen gut erhaltenen Terrazzofußboden auf. Weiterhin sind die Innenraumwand- und Dachflächen mit einer Dekorationsmalerei – teilweise mit Marmorimitationen und Palmettenornamenten – und mit einem figürlichen Relief (süd-westliche Innenwand) ausgestattet. Nachdem die Friedhofsverwaltung die Idee einer Neunutzung des Betonmausoleums als Kolumbarium (Urnenbegräbnisstätte) entwickelt hatte, waren zunächst aufgrund der vorhandenen Schädigungssituationen erste Überlegungen zur Sanierung des Bauwerks von außen nach innen notwendig. Neben der 2013 noch vorhandenen schadhaften sekundär aufgebrachten bituminösen Dachabdichtung und der ebenfalls sekundär aufgebrachten (funktionslosen) rinnenartigen Verblechung, waren außen die folgenden Schädigungen und Mängel zu erkennen: Rissbildungen und Fehlstellen in der außenliegenden Feinbetonschicht, parallel zu bauteil- oder fertigungsbedingten Fugen liegende längere Risse, Risssysteme im Bereich der zwei (in den Längsaußenwänden sitzenden) vorhandenen Eisenträgern (Korrosionssprengung), vergrünte Wandoberflächen, Rissnetzsysteme im Bereich des umlaufenden Schmuckgesimses, vereinzelte Ausbildung dünner Betonschollen und größere Ausbrüche im Eckbereich der Schmuckgesimse (Abb. 3). Im Inneren des Bauwerks waren vor allem Schäden durch eingetragenes Wasser zu beobachten: die auf einem Verputz aufliegende Sichtfassung war verdunkelt und wies eine weißliche Verschleierung auf, die Fassung kreidete ab, Hohllagen der Fassungsträgerschicht waren großflächig vorhanden, vor allem lag der gefasste Putz auf den korrodierten Eisenbetonelementen (zwei Längsträger) hohl. Die Sichtfassung blätterte an vielen Orten ab, ein Absanden des Putzes war in Teilbereichen zu beobachten, ebenso lagenkorrodierte Bewehrungsstäbe an der Innenseite der Pultdachflächen vor (Abb. 4), schließlich lagen im Inneren Gipspusteln am umlaufenden Gipsstuckgesims vor (vgl. Pratesi 2013, S. 12–18).

Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege beteiligt sich seit Dezember 2013 nicht nur fachlich sondern auch finanziell an der Restaurierung der Konstruktion (1. Bauabschnitt, 2014) und an der Innenraumrestaurierung (2. Bauabschnitt) des Mausoleums. Die Seltenheit des Objektes, die zukunftsweisende Nutzungsidee und die Möglichkeit der Klärung von materialtechnologischen wie restauratorisch-konservatorischen Fragestellungen (Übertragbarkeit von Lösungsansätzen auf andere, gleichartige Bauwerke in Niedersachsen) waren für die Ausreichung von Landesmitteln der Denkmalpflege ausschlaggebend. Auch die frühzeitige Einbindung von ausgebildeten Restauratorinnen und Restauratoren mit besonderer Qualifikation im Bereich Wandmalerei und Kunststein, sowie Ingenieuren und Architekten mit besonderer Denkmalerfahrung und Erfahrungen im Umgang mit historischen Tragwerken und weiterhin die frühzeitige Einbindung der Denkmalschutzbehörde der Landeshauptstadt Hannover erzeugten hier gute Rahmenbedingungen. Die Finanzierung der Gesamtmaßnahme wurde durch den erheblichen Einsatz von Eigenmitteln der Landeshauptstadt Hannover gesichert. Im Jahr 2014 wurden die Eisenträger begutachtet und die weitere Verwendbarkeit dieser Tragelemente bestätigt. Die bituminöse Dachabdichtung und die Verblechungen wurden achtsam von den Dachflächen entfernt. Lose Teile der Feinbetonschicht am Außenbau wurden behutsam abgenommen und zum späteren Wiedereinbau gesichert, der Bau vom Bewuchs befreit, danach wurde die Fassade schonend gereinigt. Nach erfolgter Reinigung wurden freiliegende Bewehrungseisen und innenliegende Trägergeprüft und mit Korrosionsschutz behandelt, nicht erforderliche Eisenstäbe wurden partiell entnommen. Geöffnete Flächen, Schadstellen, Fehlstellen und Risse wurden mit genau auf Farbigkeit und Oberflächenbeschaffenheit eingestellte Steinergänzungsmassen verfüllt, die Fehlstellen somit beseitigt. Fehlende Architekturglieder wurden mit der gleichen Methode ergänzt (Abb. 5). Während der Bearbeitung der Konstruktion zeigten sich deren Besonderheiten nach erfolgter Bauteilöffnung besonders anschaulich. Hierzu sei erneut Christina Krafczyk zitiert: „Die architektonischen Einzelformen des Mausoleums, wie Säulen und Kapitelle, wurden in Gusstechnik hergestellt [...]. Dieses Verfahren wurde seit den 1870er Jahren durch die Stampfbetontechnik abgelöst. Die Dachsteine waren in Mauertechnik mit einem Kern aus Ziegeln und einer Ummantelung aus natursteinmässig bearbeitetem Kunststeinmörtel ausgeführt [Abb. 6]. Die Werksteine der Fassaden waren in der in Württemberg als ‚Ulmer Verfahren’ bekannt gewordenen, zweischaligen Stampfbetontechnik hergestellt. Hierbei bestand die Vorsatzbetonschicht aus zermahlenen Bestandteilen des zu imitierenden Natursteins, um dessen Farbe und Struktur zu erhalten, während der Kernbeton einfacher Zementbeton war [...]. Zudem wurden die Oberflächen der Kunststeine steinmetzmäßig bearbeitet, allerdings zunehmend maschinell, etwa mit Scharriermaschinen und unter Einsatz von Pressluft“ (Krafczyk 2015, S. 3). Durch die oben beschriebenen Maßnahmen des ersten Bauabschnitts konnte dem Mausoleum sein ursprüngliches Escheinungsbild zurückgegeben werden. Die geneigten Dachflächen sollten entsprechend der ursprünglichen Gestaltungskonzeption nicht erneut mit Materialien abgedeckt werden. Auch auf Beschichtungen und Anstriche klassischer Betonsanierungsmethoden sollte zukünftig verzichtet werden. Aufgebracht wurde allerdings ein porenausfüllender Dichtungsanstrich. Nach Begutachtung der Restaurierungsergebnisse am Außenbau und an der Konstruktion im April und Juni 2015 konnten erneute partielle Durchfeuchtungen im Bereich einer Dachrinne innenseitig festgestellt werden. Es wurde nach gemeinschaftlicher Fachdiskussion beschlossen, die historische Rinne mit einem eingefügten Blech nachzuqualifizieren und ggf. für die Einfügung eines zweiten Wasserspeiers pro Rinne (jeweils am westseitigen Ende) zu sorgen. Nach erfolgter Nachqualifikation der Dachrinne und nach erfolgter Abnahme der abgängigen, nicht zu erhaltenden Innenputzflächen (Putz aus hydraulischem Kalk, Zuschlag aus feinkörnigem Sand) begann ab Sommer 2015 die Innenraumrestaurierung nach bereits erfolgter Befunduntersuchung und Dokumentation (vgl. Pratesi 2015, S. 4–27).

Der neuzeitliche Beton kann zu Recht mit als das wichtigste Baumaterial des späten 19., des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts bezeichnet werden. Aufgrund seiner massenhaften Verbreitung und Verwendung nach dem Zweiten Weltkrieg steht Beton – trotz seiner großen Bedeutung – allerdings bildhaft in negativer Art und Weise auch für Bauten eines übersteigerten Baufunktionalismus und für eine bis heute stark kritisierte Architektur der Boomjahre, die in der Nachkriegszeit sowohl maßstäblich als auch gestalterisch nichts mehr mit der „alten“ Stadt zu tun haben wollte. An Bauten wie dem Mausoleum Völkers (Abb. 7), oder auch jüngeren Kulturdenkmalen wie der Matthäuskirche in Hannover-List (1973) lässt sich – als eine Art Gegenbild dazu – aus denkmalpflegerischer Sicht gut aufzeigen, mit welcher Liebe Handwerker, Steinmetze, Bauingenieure und Architekten Konstruktionen, Oberflächen und Architekturdetails aus Beton gestaltet haben. Ein genauerer Blick auf und ein vorurteilsfreierer Umgang mit Architekturen aus Beton ist notwendig, um qualitätvolle Betonbauten als wertvolle Elemente der niedersächsischen Denkmallandschaft und als sprechende Zeugnisse der vergangenen Jahrhunderte des Bauschaffens für die Nachwelt erhalten zu können.


Literaturverzeichnis

  • Christina Krafczyk: Verbreitung eines neuen Materials: Die Kataloge der „Cementwaaren- und Kunststeinfabriken“. 2015, Typoskript vorhanden im NLD Archiv, Bau- und Kunstdenkmalpflege, Hannover.
  • Wolfgang Neß (et al.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1. 1983.
  • Ina Pratesi: Das Mausoleum der Familie Völkers, Friedhof Engesohde, Hannover. Restauratorische Begutachtung und Grobkonzept. 2013, Typoskript vorhanden im NLD-Archiv, Bau- und Kunstdenkmalpflege, Hannover.
  • Ina Pratesi: Das Mausoleum der Familie Völkers, Friedhof Engesohde, Hannover. Restauratorische Befundsicherung. 2015, Typoskript vorhanden im NLD Archiv, Bau- und Kunstdenkmalpflege, Hannover.

Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 35. Jg. (2015), Heft 3, S. 128-131.

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