Kloster Isenhagen – Brauhaus? Gärtnerhaus?
Zu Klöstern mit ihren bemerkenswerten Kirchen und Klausuren gehört stets auch ein umfangreicher Bestand an Wirtschaftsgebäuden, dessen Wert eher im Verborgenen liegt, jedoch nicht minder beachtlich ist. Diese Gebäude haben im Laufe der Jahrhunderte einem enormen Wandel hinsichtlich ihrer Nutzung und ihrer Substanz unterlegen, so dass bei heutigen Instandsetzungsmaßnahmen eine besondere Kenntnis dieser Substanz gefordert ist.
Im Kloster Isenhagen sollte das sogenannte Gärtnerhaus (Abb. 1 und 2) wieder als Wohnhaus hergerichtet werden, unter Erhalt der Raumstruktur im Erdgeschoss und Vergrößerung der Wohnfläche durch einen Ausbau des Dachgeschosses. Dies wurde zum Anlass genommen, eine bauhistorische Untersuchung und aufgrund notwendiger Eingriffe in den Boden auch eine archäologische Begleitung des Projektes zu beauftragen.
Zahlreiche Befunde im Inneren des Bauwerks konnten aufgrund der bauhistorischen und archäologischen Untersuchungen, aber auch dank Archivrecherche erhoben und zeitlich eingeordnet werden. So befinden sich im heutigen Gebäude Dachbalken, die durch ihre unorthodoxe Anordnung im Gefüge (parallel zum First) auffallen und die deshalb einem älteren Bauzusammenhang zugeordnet werden können (Abb. 3). Mit Hilfe dendrochronologischer Untersuchungen konnten diese Balken auf 1512 datiert werden konnten. Das ehemalige Brauhaus, aus dessen Gefüge sie stammen, wird demnach vermutlich im Jahr 1513 errichtet worden sein. Jenes Gebäude, auf das das heute sogenannte Gärtnerhaus im Kern zurückgeht, stammt damit noch aus vorreformatorischer Zeit. Die Dachbalken zeigen gleichzeitig die Abmessungen des Brauhauses: Jeder der fünf noch vorhandenen Deckenbalken endet nach Westen mit einem Zapfen, der ehemals in die hier vorhandene Fachwerkaußenwand des Brauhauses einband. An den Seiten dieser alten Balken ist zudem noch die ehemalige Zwischenbodenkonstruktion mit eingeschobenen Dielenbrettern erkennbar. Die mit Metallbändern durchgeführte Anschuhung der Dachbalken nach Osten entstammt einer Erweiterung des Gebäudes um zwei Gefache nach 1841. Die ehemalige östliche Fundamentierung des Brauhauses am östlichen Rand der ehemaligen Dachbalken konnte bauarchäologisch nachgewiesen werden.
Über die zeitgenössischen Beschreibungen in den Inventaren sind der Mahl-, Brau- und der Backvorgang gut nachzuvollziehen. Darüber hinaus wird die überaus sinnvolle Anordnung von Mühle, Brau- und Backhaus in einem Gebäudekomplex deutlich. So konnte die Wärme des Backofens zum Darren der für den Brauvorgang benötigten Gerste genutzt werden; die Mühle diente ebenso zum Mahlen des Getreides für Backwaren wie auch des gedarrten Getreides zur Herstellung der Maische, die für das spätere Bier benötigt wurde. Große Lagerflächen wurden zur Aufbewahrung von Getreide, zur Keimung der Gerste und zur Abkühlung des Bieres benötigt. Der Standort des Backofens konnte bauarchäologisch nachgewiesen werden, die Lage des ehemaligen Mühlkanals korrespondiert mit der heutigen Nordfassade (Abb. 2), die nach Abriss des Brauhauses und der Verlegung des Kanals um 1840 hier errichtet wurde.
Der Eingang zum Brau- und Backhaus befand sich ursprünglich an der Ostseite des Gebäudes, daran schloss sich eine Treppe zu den Böden in den oberen Geschossen (Malz- und Kornboden) an, die ursprünglich mit fünf Steigungen nach Norden und nach einem Zwischenpodest dann mit neun Steigungen nach Westen führte. Diese Treppe wurde zwischen 1764 und 1768 erneuert. Das Fundament dieser zweiten Treppe aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die mit dem erneuten Umbau um 1840 aufgegeben wurde, konnte ebenfalls bauarchäologisch nachgewiesen werden.
Das Brauereigebäude war mehrgeschossig (zwei Vollgeschosse und drei Dachgeschosse) – die Hauptfunktionen lagen im Erdgeschoss (Abb. 4 und 5), darüber befanden sich Lagergeschosse, so der Malz- und der Kornboden. Der Dachfirst lag in Nord-Süd-Richtung. Die Mühle westlich des Brauhauses war dagegen ein eingeschossiger Bau mit einem First in Ost-West-Richtung – das Dach war zunächst mit Stein, später dann auch mit Ziegeln gedeckt; die Wände bestanden ebenfalls aus Fachwerk, wobei die Gefache teilweise vertäfelt waren.
Das 1764 nochmals ausführlich beschriebene Gebäudeensemble scheint sich im Wesentlichen bis ins 19. Jahrhundert erhalten zu haben. Ab 1825 wird vermehrt über den Abriss von Mühle und Brauhaus nachgedacht, was aus erhaltenen Briefen und Unterlagen hervorgeht. Der Abbruch zögerte sich jedoch hinaus, obwohl das Brauen zwischenzeitlich (zwischen 1825 und 1834) eingestellt worden war.
Zwischen 1841 und 1933 wurde das verbleibende „Gärtnerhaus“ um zwei Gefache nach Osten verlängert, was sich bis heute im Dach (Abb. 3) und auch an den Fassaden (Fachwerkstreben in den ehemals äußeren Gefachen der Nordfassade, vgl. Abb. 2) ablesen lässt. Vermutlich wurde im Zusammenhang mit der Verlängerung des Gebäudes auch die heutige innere Aufteilung des Grundrisses (Abb. 7) geschaffen und die neue Treppe errichtet. Zeitgleich wurde die bis dahin in der Ostfassade liegende Eingangsöffnung auf die Nordseite verlegt. Die Mühle wurde abgetragen. Der Klostergärtner, dessen Namen das Haus bis heute trägt, zog übrigens erst 1883 hier ein.
Auf Basis der vorgenannten Erkenntnisse und Befunde wurden wesentliche Planungsentscheidungen zugunsten von Substanzerhalt getroffen. So wurden die neuen Sohlen so positioniert, dass die Bodenfunde in situ verbleiben können, wurde Abstand genommen von der Absicht, eine hohe Diele zu schaffen mittels Abbruch eines Deckenfeldes, und der historische Versprung zwischen den Wohn- und Wirtschaftsräumen erhalten.
Reduzierte man den Sinn von Bauforschung auf die Schaffung einer Planungsgrundlage im Kontext von Erhalt und Pflege von Denkmalen, so würde man das darin liegende Potential verkennen. Neben diesem „Gebrauchswert“ kann das Ergebnis solcher Recherchen auch Bedeutung für den Konvent vor Ort erlangen, indem es ein lebendiges Stück der Vergangenheit alltäglichen klösterlichen Lebens ins Bewusstsein rückt und ihn in Kontakt mit der Geschichte des eigenen Lebensortes kommen lässt. Dazu kann Bauforschung in die Öffentlichkeit wirken. Entlang des Pfades „Drei Ziele an einem Weg“ um das Kloster Isenhagen wird auch dessen Geschichte vermittelt – mit Nachricht über die wechselvolle Geschichte des Gärtner-, respektive Brauhauses.
Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 38. Jg. (2018), Heft 1, S. 8-11.