Bergbau durch den Zaun - Grabungen mit Blick auf die innerdeutsche Grenze

Von Henning Haßmann

Trotz der nach Kriegsende mitten durch das Helmstedter Revier gezogenen innerdeutschen Grenze wurde die Braunkohle noch einige Jahre durch die Braunschweigischen Kohlenbergwerke mit ihren Mitarbeitern aus Ost und West gemeinsam abgebaut und in der Ostzone im Kraftwerk Harpke verstromt und in der Brikettfabrik Bismarck verarbeitet – bis zum 26. Mai 1952, als die Volkspolizei die Betriebe besetzte, Stromleitungen und Schienenstränge kappte und die Grenze endgültig abriegelte. Die Versuche der BKB-Mitarbeiter, die Sperren zu durchbrechen und Züge, Bagger und Ausrüstung in den Westen zu bringen, scheiterten weitgehend. Da der Abbauschwerpunkt im Osten lag, hat die BKB Ausrüstung in Millionenwerten verloren – aus Sicht der DDR-Propaganda „dem Einfluss der Schlotbarone entzogen“. In Offleben baute die BKB ein neues Kraftwerk (inzwischen abgerissen) und erschloss neue Kohlevorkommen im heutigen Helmstedter Revier. Bemerkenswert ist, dass sich 1975 die Bundesrepublik und DDR darauf einigten, die Kohlevorkommen von 15 Millionen Tonnen gemeinsam abzubauen. In der Folge standen Schaufelradbagger der BKB und der DDR zeitweise auf fremdem Staatsgebiet. Beim sogenannten „Bergbau durch den Zaun“ wurde der Verlauf der innerdeutschen Grenze über Jahre hinweg „diskret“ dem Abbaufortschritt angepasst– schwer bewacht durch die DDR-Grenztruppen.

30 Jahre nach dem Mauerfall fällt es jüngeren Besuchern des Forschungsmuseums schwer zu glauben, dass in Sichtweite eine undurchdringliche Barriere zwischen zwei politischen Systemen verlief. Umso wichtiger ist die Arbeit des Zonengrenzmuseums Helmstedt und der Gedenkstätte Deutsche Teilung am ehemaligen Grenzübergang Marienborn mit dem Grenzdenkmal Hötensleben, nur 1,5 km südöstlich vom Paläon. Hier ist ein 350 m langer Grenzabschnitt wie an kaum einem anderen Ort nahezu vollständig erhalten geblieben: Sichtblendmauer, Metallzaun mit Signaldrähten, Erdstreifen zur Erkennung von Fußspuren, Hundetrasse, beleuchteter Streifen für „ungehinderte Sicht- und Feuerführung“, Fahrweg aus Betonplatten, Erdstreifen, Panzersperre, Grenzmauer mit griffabweisendem Rohr, ein weiterer Metallzaun und Wachtürme. Im benachbarten Offleben erläutert der Grenzdenkmalverein die westdeutsche Perspektive aus einem von Grenze und Tagebau eingepferchten Ort. Das Grenzdenkmal steht schon seit 1990 unter Denkmalschutz und zählt zum Europäischen Kulturerbe für eine Epoche, die sich bis heute auf die Struktur der Region auswirkt.

Dr. Henning Haßmann ist Landesarchäologe und leitet die Abteilung Archäologie beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege.

Zum Weiterlesen:
Abbildungsnachweis:
  • Minkus (NLD)



Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 40. Jg. (2020), Heft 1, S. 23-24.

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