Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Die Stadt Hannover

Von Katrin Bohley-Zittlau

„Hannover überrascht“ - mit diesem Slogan warb die niedersächsische Landeshauptstadt zum Expo-Jahr 2000 – und das könnte auch für die mehr als 6.000 Bau- und Kunstdenkmale gelten, die die Stadt zu bieten hat. Denn trotz der großflächigen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs findet sich hier die gesamte Bandbreite der Architektur- und Kunstgeschichte vom Mittelalter bis ins späte 20. Jahrhundert.

Hannover ist im 11. Jahrhundert aus mehreren kleinen Siedlungen zusammengewachsen, die beidseits der Leine entstanden waren. Der Handelsweg zwischen Süddeutschland und den Bischofssitzen Hildesheim und Bremen traf hier auf den Fernhandelsweg, der Frankfurt mit Hamburg, Lüneburg und Lübeck verband. An diesem Wegekreuz entstand zwischen der Siedlung Tigislege auf dem Gebiet der heutigen Lein- und Burgstraße und einer Lehnhofsiedlung am heutigen Ballhofplatz die Marktsiedlung Hanovere, die 1150 erstmalig genannt wurde. Der Name bedeutete „am hohen Ufer“ und bezog sich auf den hohen Hang der Leine. Vorteilhaft für die Siedlung war, dass der in mehrere Arme aufgegliederte Fluss gefahrlos überquert werden konnte. Außerdem war ihre Lage an der Grenze zwischen den getreidereichen Lössböden im Süden und den Geestlandschaften im Norden prädestiniert für den Austausch von Gütern zwischen diesen beiden Regionen, was wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt beitrug.

Nach der Zerstörung durch Heinrich VI. im Jahr 1189 baute man die niedergebrannte „civitas" auf dem alten Grundriss wieder auf: Köbelinger- und Marktstraße schlossen als parallel verlaufende Straßen den Marktplatz und die Marktkirche ein, die Osterstraße bildete die östliche und der Flusslauf der Leine die westliche Begrenzung des Stadtgrundrisses. 1241 bestätigte Herzog Otto I. die Stadtrechte, erstmals wird in dieser Urkunde ein Rat erwähnt. Eine Blütezeit erlebte Hannover im 14. und 15. Jahrhundert als Handwerker- und Handelsstadt. Die Marktkirche und die romanische Aegidienkirche wurden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts durch größere Nachfolgebauten ersetzt. Auch die dritte innerstädtische Kirche erhielt mit der 1333 geweihten Kreuzkirche einen gotischen Neubau. Eine durch Türme befestigte Stadtmauer hatte schon ab 1266 die Befestigung durch Gräben und einen Palisadenwall abgelöst. Sie ist infolge des Lüneburger Erbfolgestreites 1369-88 durch die Anlage einer 1387 erstmals erwähnten Landwehr im Vorfeld der Stadt stark ausgebaut worden und in Teilen bis heute erhalten – so entlang des Inselgrabens, der zwischen dem Zoo und Bischofshol in dem Stadtwald Eilenriede verläuft. 1435 zählte Hannover 5.000 Einwohner. Die Blütezeit der selbstbestimmten Bürgerstadt zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert, von der heute noch wenige Großbauten wie das Rathaus künden, wurde nur kurz durch die Unruhen zwischen patrizischem Rat und Bürgerschaft unterbrochen, die mit der Einführung der Reformation 1532-33 verbunden waren. Grundlage für die wirtschaftliche Stärke der Stadt waren der Kornhandel und der Mühlenbetrieb, der durch die vorteilhafte Verkehrslage im wasserreichen Leinetal begünstigt war.

Die Schäden während des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) hielten sich durch die stark ausgebauten Befestigungsanlagen in Grenzen. Durch die Verlegung des Hofes und der Verwaltung des Herzogtums Calenberg nach Hannover im Jahr 1636 erlangte die Stadt weitere Bedeutung, zugleich nahm allerdings die bürgerliche Freiheit langsam ein Ende. Unter fürstlichem Schutz und mit Förderung privater Bautätigkeit entstand in Anlehnung an eine kleine Siedlung westlich der Leine die Calenberger Neustadt als landesherrliche Planung - gegen den Willen der Altstadt, die in der Vergangenheit das Anwachsen einer Siedlung auf dem linken Leineufer verhindert hatte. Herzog Georg von Calenberg förderte zugleich auch den Ausbau des neuzeitlichen Befestigungsgürtels, der zum Aussehen Hannovers als Residenzstadt nach absolutistischem Muster beitrug. Bis 1670 entstand die Neustädter Hofkirche, Ende des Jahrhunderts war das Innere des westlichen Mauerrings weitgehend bebaut. Gleichzeitig mit der Calenberger Neustadt legten die Herzöge vor den westlichen Toren der Stadt im alten Dorf „Haringehusen" zunächst einen fürstlichen Wirtschaftshof an, der seit 1665 zur Sommerresidenz Herrenhausen wurde, die mit ihren barocken Gartenanlagen vor allem unter Kurfürstin Sophie prächtig ausgebaut wurde und in dieser Zeit ihren kulturellen Höhepunkt erlebte. Der Erwerb der Kurwürde 1692 durch Ernst August und der Zusammenschluss mit dem Fürstentum Lüneburg 1705 erhöhten den Rang Hannovers als Haupt- und Residenzstadt. 1714 zogen die Welfen mit ihrem Hof nach England, da Georg I. durch Erbfolge den englischen Thron bestieg. Mit dem Umzug der Hofhaltung aus Hannover nach London kam die Entwicklung der Stadt allerdings nahezu zum Stillstand. Die Altstadt wurde erst 1748 unter dem Bürgermeister Grupen zur Anlage der Aegidien-Neustadt über den Befestigungsring hinaus erweitert, indem eine Bastion vor dem Aegidientor eingeebnet wurde. Vor allem zwischen 1767 und 1787 sind nach und nach sämtliche Wälle entfestigt worden, auf dem freigewordenen Terrain entstanden Promenaden, und stadtseitig wurden neue Straßenzüge angelegt – so 1784 der heutige Friedrichswall und 1787 die Georgstraße.

1814, als Hannover nach den napoleonischen Befreiungskriegen auf dem Wiener Kongress zur Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs erhoben wurde, nahm die Stadtentwicklung einen Aufschwung. Er ist eng verbunden mit Georg Ludwig Friedrich Laves (1789-1864), der im gleichen Jahr seine Stelle als Hannoverscher Hofbaumeister antrat und sich zunächst neben dem Umbau des Leineschlosses vor allem der Stadtplanung widmete. Auch Privathäuser entwarf er in den 1820er Jahren: am Friedrichswall entstand 1822 sein Wohnhaus und ab 1829 das Wangenheimpalais. 1824 war es zum Zusammenschluss der bis dahin selbständigen Calenberger Neustadt mit der Altstadt gekommen, deren Anlage Laves in seine städtebauliche Gesamtplanung einbezog. So richtete er die Mittelachse des 1826-32 angelegten Waterlooplatzes mit der Waterloosäule auf das Leineschloss und die Marktkirche aus. Er schuf damit zugleich eine Überleitung der entfestigten Altstadt zur Neustadt und zugleich die Möglichkeit zur allseitigen Erweiterung der Stadt hin zur Großstadt.

Hannover wurde 1837 durch die Auflösung der Personalunion mit England wieder königliche Residenz, Ernst August kehrte nach Hannover zurück. Unter ihm erlebte die Stadt eine Phase intensiver Bautätigkeit und enormen Wachstums. Der Anschluss an das Eisenbahnnetz im Jahr 1843 und die Entscheidung für den Standort des Bahnhofs setzten den langen Auseinandersetzungen zwischen Laves und dem Stadtbaumeister August Andreae um die Konzeption eines neuen Stadtteils ein Ende. Nach den Plänen von Laves entstand die nördlich der Altstadt gelegene und 1847 eingemeindete Ernst-August-Stadt – das bis heute in seiner klassizistischen Grundstruktur erhaltene und von Georgstraße, Prinzenstraße und Bahnhof begrenzte Gebiet um Bahnhofs- und Opernplatz mit dem ab 1845 nach Plänen von Laves erbauten Hoftheater. Gleichzeitig wurde auf den eingeebneten Wällen der Neustadt neues Baugelände erschlossen. 1859 sind schließlich die Garten-Vorstädte eingemeindet worden, wodurch sich die Stadtfläche verfünfzehnfachte und die Grundlage für eine allseitige Großstadterweiterung endgültig geschaffen war. Der Verlust der Souveränität des Königreichs 1866 nach der preußischen Besetzung hemmte die Entwicklung zur Großstadt nur unwesentlich.

Das 1852 fertiggestellte Hoftheater von Laves war Höhe- und Endpunkt des hannoverschen Klassizismus. Schon seit den 1830er Jahren gab es in Hannover zugleich die Hinwendung zum Rundbogenstil der Münchner Schule – so bis heute ablesbar am 1837-45 durch Hermann Hunaeus erbauten Südflügel des einstigen Ministerialgebäudes in der Archivstraße oder am 1845-50 durch August Andreae erbauten und „Dogenpalast“ genannten Westflügels des Alten Rathauses. Parallel dazu gab es Anleihen bei der gotischen Architektur, die sich auch im Werk von Laves finden. So baute er 1826-28 die Aegidienkirche im neugotischen Stil aus und orientierte sich dabei an englischen Vorbildern. Die Hinwendung zur Neugotik bestimmte ab Mitte des 19. Jahrhunderts einen großen Großteil der Neubauprojekte, was vor allem auf Conrad Wilhelm Hase zurückzuführen ist, der die Hannoversche Architekturschule begründete und durch seine von 1849 bis 1894 ausgeübte Lehrtätigkeit für Baukunst am Polytechnikum seine Architekturauffassung über seine insgesamt etwa 3.500 Studenten weit verbreitete. Viele der von Hase realisierten Bauten in Hannover haben sich erhalten und prägen das Stadtbild - so beispielsweise die einst als Residenz- und Pfarrkirche erbaute Christuskirche, der Südflügel des Alten Rathauses und das Künstlerhaus in der Sophienstraße. Die unverputzten Backsteinfassaden der Hannoverschen Schule finden sich nicht nur an öffentlichen und Sakralbauten, sondern auch an vielen Wohnhäusern im gesamten Stadtgebiet. Teilweise sind die Bauten besonders repräsentativ gestaltet wie das vom Hase-Schüler Karl Börgemann entworfene Wohnhaus in der Sextrostraße 1 oder die Wohnhausgruppe Herrenhäuser Kirchweg, Ecke Reinholdstraße von Karl Mohrmann. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde die Dominanz der Neugotik zunehmend durchbrochen und wich sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Bauvorhaben weiteren Stilrichtungen innerhalb des Historismus.

Sowohl durch den großen Flächenzuwachs aufgrund der Eingemeindungen als auch den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung in den 1860er Jahren stieg die Bevölkerungszahl von etwa 60.000 im Jahre 1861 auf 106.700 im Jahre 1875. Die städtebauliche Neuordnung stützte sich zunächst noch auf die Planung von Laves, hinkte aber dem wirtschaftlichen Wachstum hinterher. Der Ausbau der Infrastruktur gehörte vorerst zu den wichtigsten Aufgaben. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Eisenbahnanlage dem stark gestiegenen Verkehrsaufkommen angepasst. Die Strecke wurde 1874-79 erweitert und hochgelegt, um kreuzungsfreie Straßenübergänge zu erhalten. Im gleichen Zusammenhang entstand der 1877-79 durch Hubert Stier erbaute neue Hauptbahnhof. Weitere wichtige Bauten waren der Wasserhochbehälter auf dem Lindener Berg, Elektrizitätswerke, Krankenhäuser wie das Nordstadtkrankenhaus oder das Clementinenhaus, Schulen, Museen wie das Provinzialmuseum und das Kestnermuseum sowie die Stadtfriedhöfe. Das 1872 eingerichtete und bis 1892 auf sieben Linien erweiterte Liniennetz der Pferde-Straßenbahn wurde seit 1893 elektrifiziert.

Der Erlass des preußischen Fluchtliniengesetzes von 1875 hatte das mehr oder weniger planlose Bauen an bestehenden Wegeführungen im Bereich der ehemaligen Gartengemeinden begrenzt. Für die Erschließung größerer Neubaugebiete, die die großflächige Wohnhausbebauung regulieren sollte, richtete man 1890 im Stadtbauamt eine Abteilung für Stadterweiterung ein. 1891 sind die Dörfer List, Vahrenwald, Hainholz und Herrenhausen eingemeindet worden und schlossen teilweise an die bereits bebauten Gebiete der einstigen Gartenvorstädte an. Hier liegen die bis heute gut erhaltenen Wohnhausquartiere aus dem Ende des 19. Jahrhunderts mit zum Teil hohem gestalterischem Anspruch – so die Wohnhausbebauung entlang der Bödekerstraße. Am Rand der Eilenriede, vor allem in der Oststadt, der List und im Zooviertel entstanden freistehende Villen wie die Villa Ebeling von Ferdinand Eichwede, in Kleefeld neben repräsentativen Landhäusern auch das Philosophenviertel. Auch Herrenhausen hatte sich durch die Nähe zu den Königlichen Gärten zu einem bevorzugten städtischen Wohngebiet mit villenartiger Bebauung entwickelt. Das Stadtgebiet erweiterte sich mit der Eingemeindung auf 3.960 Hektar, im Jahr 1895 zählte die Stadt Hannover 209.535 Einwohner. Vahrenwald und Hainholz hatten durch ihre Lage an der Eisenbahn und der damit verbundenen Ansiedlung größerer Industriebetriebe bereits vor der Eingemeindung ihr dörfliches Erscheinungsbild verloren.  In Hannover selbst waren Anträge auf die Errichtung von Fabriken zunächst verwehrt worden. Sie ließen sich deshalb zum großen Teil im nahe gelegenen Linden nieder – so die 1835 als Eisengießerei gegründete Hanomag. Erst ab Mitte der 1870er Jahre entstanden in Hannover zahlreiche Industriebetriebe, die von Webereien über metallverarbeitende Betriebe und Maschinenbau bis hin zur Kautschukindustrie wie der heutigen Continental AG reichten.

Und das Stadtgebiet wuchs weiter: 1907 sind die Landgemeinden Döhren, Wülfel, Kirchrode, Groß- und Klein-Buchholz, Bothfeld, Stöcken und Mecklenheide eingemeindet worden. Das Stadtgebiet war nun mit 9.975 Hektar mehr als doppelt so groß, im Jahr 1910 hatte Hannover 302.375 Einwohner. Großen Einfluss auf die Eingemeindungen der nördlichen Gemeinden hatte der 1905 begonnene, allerdings erst 1916 bis Hannover gebaute westliche Abschnitt des Mittellandkanals. Auf Buchholzer Gebiet, an der Ausfallstraße nach Celle, waren Industriebetriebe wie Pelikan und die Deutsche Grammophon entstanden. Für die Eingliederung Stöckens sprach unter anderem der 1891 eröffnete und 1900 erweiterte Stadtfriedhof. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs besiegelte Hannover mit zwei städtischen Großbauten den Aufstieg zur überregional bedeutenden Großstadt: das ganz der Wilhelminischen Ära verpflichtete Neue Rathaus ist 1913 in Gegenwart des Kaisers eingeweiht worden, und die ebenso repräsentative neoklassizistische Stadthalle war 1914 fertiggestellt.

Nach dem Ersten Weltkrieg war vor allem die Eingemeindung der westlich der Ihme gelegenen Industriestadt Linden im Jahr 1920 einschneidend. Seit 1909 gehörten auch Badenstedt, Bornum, Davenstedt und Limmer zu Linden, 1913 war Ricklingen hinzugekommen. Hannover vergrößerte sich dadurch um 2.304 Hektar auf 12.460 Hektar, die Einwohnerzahl stieg um 83.045 auf 422.435.

Auch Lindens Geschichte reicht bis ins Mittelalter zurück, im 19. Jahrhundert stieg es rasch zum Industriestandort mit Maschinenfabriken, Webereien und Baumwollspinnerei auf, was zum explosionsartigen Anstieg der Bevölkerungszahlen führte. 1907 hatte Linden 59.700 Einwohner, und die Bevölkerungsdichte war mit fast 10.000 Einwohnern pro Quadratkilometer dreimal so hoch wie in Hannover.

Die Zeit ab 1920 war in Hannover geprägt durch erste soziale Wohnungsbauprojekte unter dem Stadtbaurat Paul Wolf – es entstanden unter anderem die Siedlungen am Jahnplatz, an der Schulenburger Landstraße sowie der Brehmhof. Ab 1919 wurde auch der Seelhorster Friedhof angelegt und 1920-22 das Eilenriedestadion errichtet. Mit der Hindenburgschleuse konnte 1928 die größte Binnenschleuse Europas eingeweiht werden. Deren Bau war schon 1919 am Mittellandkanal östlich von Anderten begonnen worden. Nahezu alle Projekte der frühen 1920er Jahre waren zugleich Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Durch Inflation und Wirtschaftskrise verschärfte sich die prekäre Wohnungssituation nach dem Ersten Weltkrieg weiter. Doch erst mit dem Dienstantritt Karl Elkarts als neuer Stadtbaurat 1925 gelang es, den Wohnungsbau nachhaltig zu fördern. Die Bauträgerschaft wurde von der Stadt auf private Bauherren und Genossenschaften verlagert, die Stadt sorgte lediglich für die notwendige Mittelbeschaffung. Zwischen 1927 und 1931 entstanden so unter Leitung der neu gegründeten Städtischen Baugesellschaft eine Reihe von Siedlungen, die überwiegend mit heimischem Klinkermaterial und teils nach detaillierten Gestaltungsvorgaben errichtet wurden. Ihre hohe städtebauliche und architektonische Qualität kann man unter anderem in der Südstadt und in Kleefeld bewundern – so rund um den Bertha-von-Suttner-Platz und den Geibelplatz sowie in der Gartenstadt Kleefeld. 1927-29 entstanden die Siedlung am De-Haen-Platz und Im Kreuzkampe in der List, 1929-30 die Siedlung Malortiestraße in Herrenhausen und 1929-31 die von Adolf Falke geplante Siedlung Liststadt. Zeitgleich wurden auch Einzelbauten bedeutender Architekten errichtet, die das Hannoversche Stadtbild bis heute prägen: beispielsweise das Anzeigerhochhaus von Fritz Höger, die Stadtbibliothek von Karl Elkart, das Verwaltungsgebäude des Textilunternehmens Gebrüder Meyer in Vinnhorst von Hans Poelzig und der Heinemanhof von Henry van de Velde.

In der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 gab es nach wie vor Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, allem voran von 1934 bis 1936 die von Nazipropaganda begleitete Anlage des Maschsees. 1936 erwarb die Stadt den Großen Garten in Herrenhausen, der im darauffolgenden Jahr restauriert wurde, und 1936-38 ist der Hermann-Löns-Park in Kleefeld angelegt worden. Bereits seit 1934 gab es Pläne für Flächenabrisse und die Sanierung der Altstadt, die 1936 im Bereich des „roten“ Ballhofs begannen und Teil von Karl Elkarts gigantischem Projekt für die städtebauliche Neugestaltung der Gauhauptstadt Hannover war. Unter Elkarts Leitung entstanden zunächst das HJ-Heim am Ballhof, bis 1939 wurden die Kreuz-, Burg- und Knochenhauerstraße mit Wohnhäusern neu bebaut. Während des Zweiten Weltkriegs, vor allem am 8. und 9. Oktober 1943, ist die Hannoversche lnnenstadt durch Bombenangriffe nahezu völlig zerstört worden. Etwa 10 000 Menschen verloren ihr Leben, nur 10 Prozent der gesamten Bebauung blieben verschont, und von den ursprünglich mehr als 16.000 Fachwerkhäusern waren noch genau 32 erhalten. Die Bebauung der Altstadt, die einheitlichen Straßenzüge des 17. Jahrhunderts in der Calenberger Neustadt und die gesamte Aegidienvorstadt aus dem 18. Jahrhunderts waren nur noch Schutthaufen mit einzelnen Ruinen.

Der Wiederaufbau, der wesentlich bestimmt wurde durch die städtebaulichen Planungen des 1948 zum Stadtbaurat berufenen Rudolf Hillebrecht, orientierte sich an den Verkehrsbedürfnissen und der neuen Rolle Hannovers als Landeshauptstadt von Niedersachsen. Er gab der Stadt vor allem im ehemals befestigten Bereich ein neues Gesicht. Besonders deutlich wird dies in der rigorosen Umgestaltung des Waterlooplatzes von einer streng achsensymmetrischen Anlage zu einem geschwungenen, freien Straßenraum. Hillebrechts Planung einer autogerechten Stadt mit einem Netz von Außentangenten, einem Innenring und verbindenden Radialstraßen galt zur Entstehungszeit als vorbildlich. Am südlichen Innenring, der als sechsspurige Straßentangente gestaltet wurde, im Bereich der Altstadt parallel zum Flusslauf der Leine verläuft und von Grünflächen begleitet wird, entstanden schon in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre markante Neubauten, die das Gesicht Hannovers neu prägten – so das Conti-Hochhaus als "imponierender Auftakt des neuen Hannovers" oder die einstige Preussag-Hauptverwaltung. Zentrales Bauvorhaben war jedoch der Wohnungsbau, und das erste fertiggestellte Quartier war das Kreuzkirchenviertel, das neben dem Constructa-Block in der Hildesheimer Straße und der Siedlung am Mittelfeld als beispielhaftes Projekt des Nachkriegswohnungsbaus 1951 auf der Baumesse Constructa vorgestellt wurde. 1954 überschritt die Einwohnerzahl Hannovers zum ersten Mal die 500.000. Viele neue Wohnviertel wurden geplant und gebaut, so in Bothfeld, Sahlkamp und Oberricklingen. Mühlenberg und Roderbruch folgten in den 1960er Jahren. Zugleich entstanden die erforderliche Infrastruktur, Schul- und Sakralbauten. Beispielhaft seien hier die Gnadenkirche in Mittelfeld und die Käthe-Kollwitz-Schule genannt. Mit dem Beginn des U-Bahn-Baus 1965 und der damit zusammenhängenden Neugestaltung der Innenstadt zwischen Bahnhof, Kröpcke und dem 1957-62 durch Dieter Oesterlen wieder aufgebauten Leineschloss, dem Neubau der Raschplatztangente sowie der Verbindung der neuen City mit den nordöstlich des Bahnhofs gelegenen Wohnquartieren der Oststadt durch die sogenannte Passerelle 1972-74 ist die Innenstadt nach und nach als Fußgängerzone umgestaltet worden. Und im Rahmen des Straßenkunstprogramms kaufte die Stadt Hannover zwischen 1969 und 1974 gezielt zeitgenössische Skulpturen und Installationen an, die den öffentlichen Stadtraum bis heute bereichern und weiter ergänzt werden. Zeitgleich mit dem Neubau des Ihmezentrums in Linden 1971-75 begann ein Umdenken in der Stadtplanung, erhaltene Altbauten wurden zunehmend saniert. Linden war darin ab 1973 Vorreiterin, es folgten die Nordstadt und die Oststadt mit der Lister Meile, die nach dem U-Bahn-Bau ebenfalls als Fußgängerzone umgestaltet wurde.

1974 gab es die letzte große Eingemeindung: Misburg, Ahlem, Anderten, Vinnhorst, Wettbergen und Wülferode sind bei der Gemeindereform Teil der Landeshauptstadt geworden. Ab Mitte der 1970er Jahre wurden auch im Siedlungsbau neue Ansätze spürbar, Einzelbauten wie die Musikhochschule oder das Parkhaus in der Osterstraße wurden als zeittypische Betonbauten errichtet. Das 1978 in Lahe nahe dem Autobahnkreuz Buchholz erbaute Swiss-Life-Gebäude ist das jüngste Baudenkmal auf der Hannoverschen Denkmalliste.

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