Die Denkmale des Landkreises Lüchow-Dannenberg im Denkmalatlas Niedersachsen

Von Birte Rogacki-Thiemann

 

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg im Nordosten des Landes Niedersachsen ist natürlich noch mehr als die Rundlinge, über die an dieser Stelle schon mehrfach berichtet wurde. Seine mehr als 2600 Denkmale umfassen viele ländliche Bauten, aber auch bedeutende mittelalterliche Kirchen, ehemalige Burgen und spannende Anlagen wie die Kasernenanlage in Neu Tramm, die nach 1938 in Form und Dimension eines Rundlings errichtet wurde, um sie möglichst gut gegen Luftangriffe zu tarnen. Bedeutsam sind die namengebenden Städte Lüchow und Dannenberg, die bis 1885 amtsfrei waren, bedeutend ebenso Hitzacker, Schnackenburg, Bergen an der Dumme und Clenze. Die Lage an der Elbe bestimmte die Geschichte des Kreises, der am 1. Oktober 1932 durch den Zusammenschluss der beiden 1885 gebildeten preußischen Kreise Dannenberg und Lüchow entstand. Zunächst erhielt das Konstrukt den Namen Landkreis Dannenberg, seine Kreisstadt war die gleichnamige Stadt. Durch die Grenzziehung der Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Kreis Dannenberg zu einem Zonenrandgebiet und der Sitz 1951 in das etwas einwohnerstärkere Lüchow verlegt – seitdem heißt der Landkreis Lüchow-Dannenberg. Historisch wird er auch als "Hannoversches Wendland" bezeichnet.

Der Ort Dannenberg entstand aus einer mittelalterlichen Burg, die bereits 1153 das erste Mal erwähnt wurde und deren letzter Überrest der Waldemarturm auf dem Amtsberg ist. Es handelt sich um einen mächtigen Rundturm aus großformatigen, mittelalterlichen Backsteinen, der ursprünglich als Bergfried diente und in den späteren Schlossbezirk übernommen wurde. Heute gehört er zum Amtsbezirk, der bis 1885 als solcher diente. Die Altstadt liegt westlich davon und besteht im Wesentlichen aus einem Kern mit durchlaufendem Straßenzug: Da die Stadt Dannenberg immer von den Hochwassern der Elbe und der Jeetzel bedroht war, blieb die Kernbebauung auf den schmalen und leicht erhöhten Geländestreifen beschränkt. Ein großer Stadtbrand zerstörte 1608 alle Gebäude, sodass der bis heute erhaltene Bestand aus der Zeit danach stammt. Dabei gibt es einige prächtige Kaufmannshäuser der Zeit um 1615 neben bescheidenen giebelständigen Kleinbürgerhäusern derselben Zeit, aber auch Ackerbürgerhäuser des 19. Jahrhunderts. Baulicher Höhepunkt und zugleich historisches Ortszentrum ist der Markt mit der Stadtkirche St. Johannis, die im Kern aus dem 14. Jahrhundert stammt.

Die Stadt Lüchow hat eine ähnliche Geschichte: Auch sie wurde im 12. Jahrhundert das erst Mal urkundlich erwähnt und erhielt bereits 1293 Stadtrecht. Von der spätmittelalterlichen Stadtbefestigung ist heute nur noch ein Turm aus unverputztem Backsteinmauerwerk vorhanden, der auch als Glockenturm für die aus der Zeit um 1300 stammende St. Johannis-Kirche genutzt wird. Auch hier brannte der Gebäudebestand während einer großen Brandkatastrophe fast vollständig ab – in Lüchow passierte dies 1811, sodass der größte Teil der Bürgerhäuser in der Altstadt, die in schlichter Fachwerkbauweise errichtet sind, aus dem frühen 19. Jahrhundert stammt. Auch hier reihen sich die vielfach unveränderten und ungestörten Häuser entlang einer Hauptstraße in Ost-West-Richtung (Lange Straße, Fortsetzung durch Drawehner- und Bergstraße). Zu dieser stehen sie traufständig, die meisten besitzen ein mittleres Zwerchhaus. In der Mitte der Langen Straße weitet dieselbe sich zu einem kleinen Marktplatz aus, an dem das 1815/16 errichtete Rathaus liegt. Einige ältere Häuser aus der Zeit vor dem Brand haben sich südlich der Johanniskirche erhalten.

Hitzacker im Norden des Landkreises ist ein bereits seit der Eisenzeit besiedelter Ort, der sich in Insellage zwischen zwei Armen des Flusses Jeetzel, an dessen Mündung in die Elbe befindet. Die Kirche, die ebenfalls das Patrozinium St. Johannis trägt, ist ein im Kern romanischer Bau der Mitte des 12. Jahrhunderts, der allerdings 1824 grundlegend überformt wurde. Die eigentliche Stadtgründung Hitzackers erfolgte im Jahr 1258. Der weitgehend erhaltene mittelalterliche Stadtgrundriss der Altstadt wurde nur im südöstlichen Teil verändert, wo sich im 17. Jahrhundert zeitweilig eine Residenz einer Nebenlinie des Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel befand. Die sonstige Bebauung ist überwiegend zweigeschossig mit trauf- und giebelständigen Häusern, meist in Fachwerkbauweise.

Der Ort Schnackenburg liegt ganz im Osten des Landkreises an der Mündung des Flusses Aland in die Elbe. Der weitgehend erhaltene Stadtgrundriss entstand nach einem Stadtbrand im August 1728. Der Wiederaufbau erfolgte bis 1732. Ganz im Westen des Landkreises befinden sich dagegen Bergen an der Dumme mit einem einheitlichen Straßenzug (Breite Straße), der bereits 1203 als solcher erstmals urkundlich erwähnt wurde, und der Flecken Clenze, dessen historischer Kern sich um die erhöht auf dem ehemaligen Burgberg liegende Kirche St. Bartholomäus findet und auch die Bebauung der südlich und östlich davon liegenden Kirchstraße umfasst. Die Häuser in Clenze entstammen einheitlich der Wiederaufbauphase nach einem Brand von 1827, die Kirche wurde 1856 neu errichtet; die Häuser in Bergen an der Dumme stammen aus der Zeit nach einem Großbrand von 1840.

Der insgesamt dünn besiedelte und eher strukturschwache Landkreis ist bis heute weitgehend agrarisch geprägt und gehört zum Gebiet des niederdeutschen Hallenhauses. Dieser früher hier ausschließlich vorkommende Bautyp, bei dem Viehstall, Ernteraum und Wohnung unter einem gemeinsamen Dach liegen, bestimmt auch heute noch das Erscheinungsbild zahlreicher Dörfer. Die ältere Hallenhausform ist dabei das Zweiständerhaus, bei dem das Gewicht des Daches nicht auf den Außenwänden, sondern auf zwei Reihen von durchgehenden Holzständern, die sich vom Wirtschaftsgiebel bis zum Wohngiebel ziehen, liegt. Ein solches hat sich z.B. im Rundling Jameln erhalten. Seit dem 17. Jahrhundert wurde der Zweiständerbau zunehmend vom Vierständerhaus abgelöst, dessen Bauweise eine komfortablere Weiterentwicklung des ersteren darstellte. Die Konstruktion beruht dabei auf vier Ständerreihen in Längsrichtung, die beiden äußeren stehen in den Außenwänden, die beiden mittleren begrenzen die Diele zu den Seitenschiffen. Das Vierstständerhaus ist für den Landkreis Lüchow-Dannenberg das prägendste, was zum einen daran liegt, dass sich hiervon am meisten Beispiele erhalten haben, zum anderen aber natürlich auch damit zusammenhängt, dass die Bauern hier v.a. im 19. Jahrhundert nicht selten großen Wohlstand erlangten und ihre Häuser entsprechend erneuerten. Mit nahezu gleichem Volumen, gleicher Hausbreite und -höhe, gleichen Baustoffen und gleichem Maßstab, dabei aber individuell gestalteten Schaugiebeln bestimmen diese Häuser das räumlich geschlossene Bild der Dörfer des Landkreises – entweder angeordnet im Rundling (wie Klennow u.a.) oder auch als Straßendorf (Breese in der Marsch, Rebenstorf etc.) gestaltet. Eine eher seltene Mischform aus Zwei- und Vierständerbau ist das Dreiständerhaus, das es auch im Landkreis Lüchow-Danneberg gibt. Hierbei ist meist eine Asymmetrie erkennbar, die durch die Abweichung entsteht, dass sich der Dachfirst oberhalb einer der Dielenständerreihe befindet. Auf dieser Seite befindet sich die Dachtraufe oftmals in Höhe der Dielendecke wie beim Vierständerhaus, auf der anderen ist der untere Teil der Dachsparren angehängt wie beim Zweiständerhaus.

Die kleinen Städte und die zahlreichen gut erhaltenen Dörfer des Landkreises Lüchow-Dannenberg weisen somit einen hohen Denkmalbestand auf, den es zu schützen lohnt.

Ein besonderes Kapitel im Hinblick auf niedersächsisches Kulturgut stellt die am 3.5.1980 ins Leben gerufene „Republik Freies Wendland“ dar, die als 120 Hütten umfassendes „Dorf“ bei Gorleben von Atomkraftgegnern für etwa 500 Personen errichtet wurde und auch zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen enthielt. Bereits am 2.6.1980 beantragte der Bremer Publizist Walther Soyka mit 15 Mitstreitern, dieses Hüttendorf als „lebendes Kulturdenkmal“ anzuerkennen, was der anstehenden Räumung durch die Polizei entgegengewirkt hätte. Die „Unterschutzstellung“ unterblieb und am 4.6.1980 wurde das Dorf nach 33 Tagen Bestandsdauer schließlich geräumt. Dies wiederum ermöglichte es dem Archäologen Attila Dészi hier 2016-18 ausführliche archäologische Grabungen durchzuführen und damit das erste Projekt zeitgeschichtlicher Archäologie zur Alltagskultur des späten 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum zu initiieren – die daraus entstandene Doktorarbeit ist mittlerweile fertiggestellt und wurde 2024 mit dem Niedersächsischen Studienpreis für Archäologie ausgezeichnet.

 

 

Zum Weiterlesen, -schauen und -hören im Denkmalatlas Niedersachsen:

 

Zeitgeschichtliche Archäologie: Das Hüttendorf bei Gorleben

Rundlinge im Wendland, Teil 1

Rundlinge im Wendland, Teil 2

Vernakuläres Bauen und Denkmalpflege im hannoverschen Wendland

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