Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Der Landkreis Celle
Der Landkreis Celle zählt knapp 1.400 Denkmale in einer Kultur- und Naturlandschaft, die deutlich durch landwirtschaftliche Nutzung dominiert wird. Dies spiegelt sich vor allem in den Hofanlagen mit ihren Wohn-/ Wirtschaftsgebäuden, Scheunen- und Stallgebäuden und den für die regionale Kulturlandschaft so bedeutenden und noch zahlreich erhaltenen Speichergebäuden und Schafställen wider.
Der Landkreis Celle wird durch zwei grundlegende Landschaftsräume charakterisiert. Der nördliche Raum im Bereich der Südheide war einst durch Wälder und Heideflächen dominiert, die im Laufe der Zeit in großen Teilen in landwirtschaftliche Nutzflächen oder in Forst umgewandelt wurden. Das südliche Gebiet, dessen Moore kultiviert worden sind, nimmt gut ein Drittel der Fläche des Landkreises ein. Die meisten Siedlungen, die sich am Rande der Flussniederungen konzentrieren, bilden einen Ballungsraum in der Allerniederung. Flussabwärts, entlang der zur Aller führenden Nebenflüsse, wurde auf den höher liegenden Flächen sowie den Geestgebieten Landwirtschaft betrieben. Die Äcker entwickelten sich durch Holzgewinnung und Schafhaltung zu Heideflächen. Noch heute wird der Landschaftsraum der Allerniederung vorwiegend durch Ackerflächen und Wälder dominiert.
Die ländlichen Bauten stellen einen Großteil der Baudenkmale im Landkreis Celle dar. Dabei ist das Niederdeutsche Hallenhaus als Wohn-/ Wirtschaftsgebäude und Haupthaus der Hofstellen der am weitesten verbreitete ländliche Bauernhaustyp. Zweiständerbauten stellen den ältesten Konstruktionstyp dar, wobei die im 16. und 17. Jahrhundert übliche Jochbalkenkonstruktion mit Speersohlenzimmerung die ältere ist und vor allem in der Allerniederung, dem sogenannten Flotwedel, vorherrschte. Ab dem 17. Jahrhundert wurde sie vereinzelt, überwiegend jedoch im 18. Jahrhundert durch die Unterrähmkonstruktion abgelöst. Beispiele hierfür finden sich teilweise noch im Flotwedel, überwiegend jedoch in der Südheide (Bleckmar um 1820; Becklingen 1745). Das Wohn-/Wirtschaftsgebäude in Schepelse zählt dabei zu den frühen Zweiständerfachwerkbauten in Unterrähmzimmerung. Die Intensivierung der Landwirtschaft zur Deckung des Bedarfs der ländlichen und stark anwachsenden städtischen Bevölkerung führte bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer Weiterentwicklung der Bauformen. Während der Grundriss des Typs "Hallenhaus" weitestgehend gewahrt wurde, entwickelte sich das Fachwerkhaus durch Vergrößerung der Platzansprüche mit Hochführen der Außenwände zu einem Vierständerbau, der Grundriss der Diele wurde reduziert, die Stallräume wurden dagegen auf beiden Seiten vertieft. Heute stellen die Hallenhäuser mit der vom Torgiebel erschlossen befahrbaren Längsdiele als Vierständer-Fachwerkbauten unter Halbwalmdächern die am häufigsten überkommenen Bauernhäuser im Landkreis Celle dar, wie beispielsweise in Eversen.Während zunächst dieser Bauernhaustyp als Einheitshaus die wesentlichen Funktionen von Wohnen und Wirtschaften unter einem Dach vereinte, entwickelten und vergrößerten sich die Hofstellen durch zahlreiche Nebengebäude wie Ställe und Scheunen, Speicher und Backhäuser.
Schafställe dienten der Schaf- und Schnuckenhaltung auf den Heideflächen der Lüneburger Heide und gehören zu den heidetypischen Kulturlandschaftselementen. Bei der traditionellen Schafhaltung wurden die Schafe tagsüber auf die Weiden gebracht und abends in die Ställe getrieben. Dies diente seit Jahrhunderten dazu, auf den Heideflächen gleichmäßige Vegetationsstrukturen zu schaffen und zu erhalten sowie die Nährstoffe der Heide im Stall zu konzentrieren und als Dünger zu verwenden. Schweineställe wurden mit Ausweitung der Schweinezucht, die Mitte des 19. Jahrhunderts intensiviert wurde, als langgestreckte, schmale, überwiegend massive Backsteinbauten oder als Fachwerkbauten mit einem sehr hohen massiven Sockel errichtet, an denen meist noch eine Futterküche angeschlossen war.Für die Celler Kulturlandschaft ebenso von großer Bedeutung sind die rund 188 erhaltenen Speichergebäude, verteilt auf die gesamte Fläche des Landkreises. Dabei handelt es sich um regionaltypische Fachwerkbauten, die als Nebengebäude von Hofanlagen für die historische Kulturlandschaft und die ländliche Bau- und Siedlungskultur charakteristisch sind und bis in das frühe 18. Jahrhundert zurückgehen. Die Speicherbauten sind Zeugnisse landwirtschaftlicher Selbstversorgung, oft wurden sogar mehrere Speicher auf einer Hofstelle errichtet. Der Treppenspeicher (wie beispielsweise in Sülze) ist der meist vertretende Speichertyp, wobei es sich um ein verhältnismäßig kleines Nebengebäude handelt, meist ganz aus Holz und dicht verbohlt, in dem Waren gelagert wurden. Das Obergeschoss war in der Regel über eine angebrachte Treppe an einem der Außengiebel zu erreichen. Ihr Bestand ist seit längerem gefährdet, da die Waren heutzutage im Haus selber gelagert werden.
Backhäuser gehören ebenfalls zu den typischen Nebengebäuden auf den Hofanlagen, die aufgrund der von ihnen ausgehenden Brandgefahr mit Abstand zum Haupthaus errichtet wurden. Sie bestehen aus dem eigentlichen Haus - der Backstube - und dem Ofengewölbe, das von einem eigenen, niedrigeren Dach überfangen wird, so beispielsweise in Hankenbostel erhalten.
Bienenzäune sind eine weitere Besonderheit in der Region und Zeugnisse der Wirtschaftsweise der Heidebauern. Ursprünglich war die Heidelandschaft regelrecht durchzogen von Bienenzäunen, von denen heute nur noch einige wenige Exemplare erhalten sind. Es handelt sich meist um halboffene, überdachte Holzkonstruktionen, in denen früher die Imker ihre Bienenkörbe wettergeschützt aufstellten. Als die Heideflächen durch Aufforstung und Ackerbewirtschaftung mehr und mehr verschwanden, ging etwa ab 1850 auch diese spezielle Form der Bienenhaltung zurück.
Im Bereich der Sakralarchitektur im Landkreis Celle führte das starke Bevölkerungswachstum im 10. Jahrhundert zum Bau zahlreicher Kirchen, die auch mit dem Taufrecht ausgestattet wurden. Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster in Wienhausen stellt für die Denkmallandschaft im Landkreis Celle ein besonderes historisches Kulturdenkmal dar. Im 13. Jahrhundert als Frauenkloster gegründet, ist die Anlage bis heute architektonisch und baukünstlerisch ein bedeutsamer Baukomplex im Stil der norddeutschen Backsteingotik. Dabei stellt der um 1320 errichtete Nonnenchor das älteste Bauteil der Klosteranlage dar, deren erhaltene, 1335 datierte Ausmalung zur ursprünglichen Ausstattung gehört. Die imposante Klosterarchitektur setzte eine rege Bautätigkeit in der Umgebung in Gang, so entstanden im 14. Jahrhundert die Kirchen in Hohnhorst, Langlingen, Wathlingen und Müden, die als einschiffige Saalbauten errichtet wurden. Während in Wathlingen und Hohnhorst die Pfarrkirchen bereits ursprünglich mit einem polygonalen Chor abgeschlossen wurden, sind die Kirchenbauten in Hermannsburg und Müden erst im 15. Jahrhundert in dieser Form erweitert worden. Nach langer Stagnation im Kirchenbau setzte erst im späten 17. Jahrhundert wieder eine Neubautätigkeit ein. Die Stechinelli-Kapelle in Wieckenberg wurde den bäuerlichen Bauten der Region angepasst und als Fachwerkbau mit einer Loggia an der Längsseite 1699 errichtet. Grund hierfür war vermutlich, dass die katholische Gutskapelle nach außen hin nicht offensichtlich als solche in Erscheinung treten sollte, denn mit Einführung der Reformation wurde zunächst ein Verbot der katholischen Messfeiern ausgesprochen.
Neben der siedlungsgeschichtlichen und landschaftskulturellen Entwicklung war die Aller auch für die Schifffahrt von großer Bedeutung. Bereits im Mittelalter wurde der Fluss als Teil des Transportweges für Metalle aus dem Harz über Braunschweig bis in Richtung Nordsee genutzt. Die Flößerei wurde ab dem 14. Jahrhundert betrieben, dabei war die fürstliche Residenzstadt Celle Zentrum des damaligen Holzhandels. Ab 1908 wurde die Aller zwischen Celle und der Leinemündung kanalisiert, zur Wasserstandsregulierung wurden insgesamt vier Staustufen erbaut, um den Schiffverkehr zu verbessern. Die Schleusen Bannetze und Oldau wurden in dieser Zeit errichtet. Die Stadt Celle erhielt zudem das Recht, das über die Staustufen ablaufende Wasser zur Energiegewinnung zu nutzen und errichtete 1910 ein Kraftwerk.
An verschiedenen Orten der Allerniederung wurde neben Teer auch Erdöl gefunden. Bereits 1652 wurde in den sogenannten Theerkuhlen ölhaltiger Sand ausgegraben, das Öl ausgewaschen und den Bauern als Schmiermittel verkauft. In Wietze fand 1858/59 die erste Erdölbohrung der Welt statt, an die das dortige Erdölmuseum mit seinen Industrieanlagen erinnert. Neben den erhaltenen Erdölförderanlagen zeugen im Ort selber noch eine Reihe von Bauten von der wirtschaftlichen Blüte um die Jahrhundertwende. Der repräsentative Verwaltungsbau der DEA (Deutsche Erdöl AG), der an eine ältere Halle angebaut wurde, die Schule und die im Landhaus- und Heimatschutzstil errichteten Doppelwohnhäuser für die leitenden Angestellten beispielsweise fallen in die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts, als das landwirtschaftlich geprägte Dorf Wietze durch den industriellen Aufschwung Wohnraum für Arbeiter und ihre Familien mitsamt der sozialen Infrastruktur aufbaute.
Große Umwälzungen brachten in der Lüneburger Heide die Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts mit sich, als die Wehrmacht im Zeichen der Remilitarisierung Gelände für Schießplätze, Truppenübungsplätze und neue Kasernen suchte. Unter Umgehung des Versailler Vertrages (1919) fing man bereits ab 1933 an, Plätze für die künftig projektierte Luftwaffe zu suchen. Neben anderen geplanten Standorten wurden westlich von Schmarbeck in der Südheide im großen Stil Grundstücke für die Errichtung eines Fliegerhorstes aufgekauft, mit dessen Anlage man bereits im November 1933 und damit zeitlich deutlich vor der offiziellen Gründung der Luftwaffe 1935 begann. Schon am 1. Mai 1934 wurde der Fliegerhorst Fassberg in Betrieb genommen. Obwohl er von Beginn an militärischen Zwecken diente, erhielt er zunächst den Tarnnamen „Deutsche Verkehrsfliegerschule“, erst 1939 wurde endgültig die offizielle Bezeichnung „Große Kampffliegerschule“ eingeführt. Die zugehörige „Rote Siedlung“, die sich als Gartensiedlung für Beamte und Offiziere des Fliegerhorstes südwestlich an das Militärgelände anschließt, entstand nach Entwurf der Architekten Georg Sagebiel und Wilhelm Kröger. Unter weitgehender Schonung des Baumbestandes wurde sie in das Waldgebiet der ehemaligen Schlichternheide hineingebaut, wobei der Fuhrenwald in die Siedlung mitaufgenommen und später mit anderen Bäumen ergänzt wurde. Die ersten Gebäude der Roten Siedlung entstanden als Doppelhäuser mit langgestreckten Parzellen für die Hausgärten am Waldweg und am Jägerweg. Ungefähr in der geometrischen Mitte wird dieser Teil der Siedlung von einer Querstraße und dem Brunnenplatz als kleinem lokalem Mittelpunkt geteilt, Bäume begrenzen den Umriss des Platzes. Es folgte die Bebauung nördlich der Großen Horststraße mit Doppelhäusern und freistehenden Einzelhäuserm. Der dritte ursprüngliche Bereich der Roten Siedlung wird von der Großen Horststraße her durch abknickende Zufahrtsstraßen erschlossen, in deren Mittelpunkt sich das ehemalige Zentrum der Siedlung Faßberg mit Schule, Kirche und Läden befand. Alle Gebäude sind in rotem Backstein ausgeführt. Weitere Siedlungsbereiche folgten bis 1938 (Graue Siedlung und Weiße Siedlung) - zu diesem Zeitpunkt wohnten dann etwa 2.300 Menschen in Fassberg, darunter 1.600 Wehrmachtsangehörige.
Nachdem am 29. März 1935 das „Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht“ in Kraft getreten war, ordnete das Reichskriegsministerium zudem landesweit den Ankauf und Ausbau der militärischen Einrichtungen an. Schnell kristallisierte sich heraus, dass ein Riesenbedarf an Flächen bestand, die naturgemäß zusammenhängend und wenig besiedelt, nach Möglichkeit sogar unbewohnt sein sollten. Mit der 1935 erfolgten Gründung der Reichsumsiedlungsgesellschaft (Ruges) wurden auch im heutigen Landkreis Celle, große Areale erworben (faktisch beschlagnahmt), und Dörfer, die in den vom Militär beanspruchten Gebieten lagen, in Besitz genommen und entvölkert. Wegen der Anlegung des Truppenübungsplatzes Bergen im Jahr 1936 mussten beispielsweise insgesamt etwa 3.500 Einwohner aus 18 Gemeinden, darunter auch 630 Einwohner aus den sieben Gemeinden Becklingen, Wardböhmen, Bleckmar, Bergen, Belsen, Hohne und Meißendorf, umgesetzt werden. Die Umsiedlung begann im Sommer 1935. Zum 1. Mai 1936 sollte das vorgesehene Gebiet, das insgesamt 26.719 ha umfasste, geräumt sein. Nur 44 der 630 Einwohner fanden wiederum im Landkreis Celle eine neue Hofstelle, die übrigen wurden in weiter entfernt liegende Gebiete (Heidekreis, Landkreis Uelzen, Landkreis Lüneburg) versetzt. Die Landschaft im Landkreis Celle ist durch die Eingriffe in den Dreißiger Jahren bis heute entscheidend verändert und geprägt. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges richtete die Wehrmacht in Baracken am Rande des Truppenübungsplatzes Bergen zunächst ein Lager für belgische und französische Kriegsgefangene ein, das im Frühjahr 1941 noch einmal beträchtlich erweitert wurde. Nachdem Deutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfallen hatte, wurden hier bis zum Herbst 1941 mehr als 21.000 sowjetische Gefangene interniert. Im April 1943 übernahm die SS schließlich den südlichen Teil des Lagergeländes als „Austauschlager“ für jüdische Häftlinge, was mit der Errichtung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen gleichzusetzen ist. Bis zur Befreiung des Lagers am 15. April 1945 durch britische Soldaten starben hier mindestens 52.000 Menschen, woran heute ein sowjetischer Kriegsgräberfriedhof und vor allem die Gedenkstätte erinnern, wobei letztere sich aus dem ehemaligen Gelände des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, konstituiert und heute mit Mahnmalen und Gebäuden, die in den Nachkriegsjahren und in den 1960er Jahren zum Gedenken an die Opfer des Konzentrationslagers Bergen-Belsen errichtet wurden, präsentiert. Im November 1952 wurde diese Gedenkstätte mit einem international beachteten Staatsakt durch Bundespräsident Theodor Heuss eingeweiht. Die Verantwortung für sie wurde dem Bundesland Niedersachsen übertragen. Damit ist sie die älteste Gedenkstätte Deutschlands in staatlicher Trägerschaft.