
Die Denkmale der Gemeinde Barsinghausen im Denkmalatlas Niedersachsen
Die selbständige Gemeinde Barsinghausen gehört zum südwestlichen Teil der Region Hannover, wo das Norddeutsche Tiefland an das Mittelgebirge grenzt. Neben dem namensgebenden Barsinghausen, das 1969 Stadtrecht erhielt, gehören in der Umgebung 17 Ortsteile dörflicher Prägung zum Stadtgebiet.
Die Geschichte des Ortes Barsinghausen ist eng mit der Entwicklung des hier ansässigen Marienklosters verbunden. Es wurde 1193 erstmals urkundlich erwähnt, wenige Jahre nach seiner Gründung durch Graf Wedekind von Schwalenberg als Augustinerdoppelkloster, seit 1542 ist es evangelisches Frauenkloster. Von der ursprünglichen Klosteranlage ist die Kirche erhalten, eine spätromanische dreischiffige Hallenkirche, deren Langhaus von ursprünglich drei Jochen auf eines verkürzt ist, bedingt durch Bauunterbrechung oder möglicherweise Zerstörung. Es handelt sich um eine der frühesten Hallenkirchen Niedersachsens, ihre Gestaltung orientiert sich an Vorbildern aus Westfalen und dem Rheinland. Im Zuge einer 1862-1865 von Hofbaumeister Christian Adolf Vogell (1806-1865) ausgeführten Restaurierung bekam die Kirche einen Sakristeianbau und eine neue Innenausstattung. Eine auffällige Besonderheit ist der knapp 40 Meter nördlich der Kirche errichtete Glockenturm. Er wurde 1668 erbaut und 1953 um zwei massive Geschosse erhöht. Die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges hatten nur die Kirche verschont. Zu den ältesten Gebäuden des Wiederaufbaus gehört das zwischen 1700 und 1754 errichtete dreiflügelige Klostergebäude Bergamtstraße 8, ein zweigeschossiger Bau in Deistersandstein. Umgeben ist die Anlage von einem großen Garten mit einer hohen Natursteinmauer. Das dem Klostergebäude gegenüber gelegene Rathaus wurde 1682 als Klosteramtshaus für den Verwalter der Klosterdomäne errichtet, 1885 zog hier das Bergamt ein. Im Bereich um das Kloster siedelten sich u. a. Handwerker und Bauern an, was heute noch gut in der Altenhofstraße an einer Gruppe aus Hallenhäusern in Vierständerbauweise sowie anderen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden ablesbar ist.
Einen bedeutenden Aufschwung erfuhr Barsinghausen im 19. Jahrhundert durch den Abbau von Steinkohle und Sandstein. 1831/32 schlossen Hofsteinhauermeister Blume, Johann und Georg Egestorff einen Pachtvertrag mit der Klosterkammer ab und ließen im Fuchsbachtal die ersten Barsinghäuser Stollen auffahren. Das Mundloch des Unteren Sammannstollens, benannt nach den Neffen Blumes, ist erhalten. Zu den obertägigen Zeugnissen des Bergbaus gehören vor allem repräsentative Wohnbauten wie die 1905 vom Steinbruchbesitzer und Amtsmaurermeister Carl Gehrke errichtete „Villa Glückauf“ an der Deisterstraße 9, die deutlich den wirtschaftlichen Aufschwung demonstrieren. Ebenfalls als Spezialist für den Bau von Landhäusern und Villen bot sich Amtszimmermann und Baugeschäftsinhaber August Voss an, der 1891 in der Rehrbrinkstraße 9 an städtebaulich zentralem Ort ein zweistöckiges Wohnhaus errichtete, dessen Fassaden mit figürlichen Skulpturen und aufwändigem historistischem Dekor als Werbung für den Erbauer dienen sollte.
Wie eine große Villa präsentiert sich auch das ehemalige Gebäude des Anna-Forcke-Stifts, hoch gelegen am Deister mit einem Blick weit in das Norddeutsche Tiefland. Das 1908 von der Henriettenstiftung Hannover eingerichtete Wohnheim für pflegebedürftige Krankenschwestern wurde in jüngster Zeit für eine Nutzung als evangelisches Hospiz aufwändig saniert.
Die Umgebung der Stadt Barsinghausen ist in ihrer geschichtlichen Entwicklung mit den dort zahlreich angesiedelten Gütern der Calenberger Ritterschaft eng verbunden. Die zumeist auf mittelalterliche Wasserburgen zurückgehenden Anlagen weisen häufig einen über mehrere Epochen gewachsenen Baubestand auf. Vielfach sind sie im Besitz von seit Jahrhunderten dort ansässigen Familien und traditionell mit landwirtschaftlicher Nutzung verbunden; so auch beim Gut Eckerde I, das neben geschützten Wirtschaftsgebäuden ein prächtiges Herrenhaus besitzt. Es wurde 1890 nach Plänen von Ferdinand Ludolff (1846-1906) unter Verwendung von Teilen des Vorgängerbaus aus dem 16. Jahrhundert erbaut. Dahinter erschließt sich ein bedeutender historischer Landschaftspark, der in der wärmeren Jahreszeit regelmäßig für Besichtigungen zugänglich gemacht wird. Das darin befindliche Mausoleum von 1854 ist ein Werk der frühen Hannoverschen Architekturschule und möglicherweise nach Plänen von Conrad Wilhelm Hase (1818-1902) gebaut. Das westlich benachbarte Rittergut Eckerde II befindet sich im Besitz der Nachkommen der Familie von Holle, die das Gut bereits 1487 übernommen hat. Sie betrieben u. a. die ab 1859 produzierende Rübenzuckerfabrik Neuwerk in Gehrden, eine der ältesten westlich der Elbe. Neben dem großen klassizistischen Herrenhaus im Zentrum der Anlage ist eine alte Bruchsteineinfriedung an der Hofeinfahrt erhalten.
Das Rittergut Egestorf wird bereits im Jahr 954 erwähnt. Es wechselte mehrfach die Besitzer, bis es 1789 von Johann Georg Wiesen erworben und seitdem an Nachkommen seiner Familie weitergegeben wurde. Das 1669 vom Ortseingang an seinen heutigen Platz verlegte Gut (Obergut) besitzt ein siebenachsiges Herrenhaus in Fachwerk vom Ende des 18. Jahrhunderts, das später erweitert wurde, und einen Landschaftspark in französischem Stil mit altem Baumbestand, einem Teich und einem Bach. Das Untergut in der Schmiedestraße ist ein ehemaliger Sattelhof, der 1843 vom nunmehr so genannten Obergut gekauft wurde. Das Herrenhaus, ein schlichter zweistöckiger Fachwerkbau, wurde vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts errichtet und Anfang des 19. durch einen quergestellten zweigeschossigen Anbau in Fachwerk unter Satteldach erweitert. Rückwärtig befindet ein im Landkreis Hannover einmaliges Gebäude. Es ist ein kleiner, zweigeschossiger Speicher in Bruchstein unter Satteldach, vermutlich aus dem 16. Jahrhundert. Straßenseitig ist das Gelände durch eine Bruchsteinmauer mit kugelbekrönten Sandsteinpfeilern eingefriedet.
Die Familie von Goltern betrieb das wohl schon im 11. Jahrhundert bestehende Gut Großgoltern, das nach dem Aussterben des Geschlechts 1558 als Lehen an die Familie von Alten ging. Diese errichteten das von einem Graben umgebene, ursprünglich vierflügelige Castrum. Ein Teil davon wurde 1885 abgerissen, 1911 erneuerte Hermann Schaedtler (1857-1931) den Nordflügel. Neben zwei über die Graft führende Brücken gehören ein großer Park und eine 800 Meter lange Kastanienallee zur Anlage. Nur wenige hundert Meter entfernt ist das Rittergut Nordgoltern. Es gelangte 1390 in den Besitz der Familie von Heimburg, die seit Ende des 15. Jahrhunderts auch auf Eckerde I ansässig ist. 1929 wurde Nordgoltern an Familie Kramer verkauft. Das auf den Gewölbekellern einer mittelalterlichen Wasserburg 1590 errichtete Castrum ist Teil einer beeindruckenden geschlossenen Anlage mit Wassergraben, einem Park und einer großen eingefriedeten Wirtschaftsfläche.
Das am Stemmer Berg gelegene Rittergut Stemmen gelangte 1258 in den Besitz des Klosters Mariensee bei Neustadt und wechselte anschließend häufig die Besitzer. Angeblich wollte auch der hannoversche König Georg V. es erwerben, um hier die später in Nordstemmen errichtete Marienburg zu erbauen. Das Castrum ist eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Dreiflügelanlage, deren Hauptfassade 1875 durch zwei große Erker verändert wurde. Dahinter begrenzen zwei langgestreckte Wirtschaftsgebäude und ein ehemaliges Mühlengebäude einen Innenhof, daran anschließend vervollständigt neben einem Park eine aufgrund der Hanglage mit Bruchsteinmauern terrassierte und weitläufig eingefriedete Wirtschaftsfläche die Anlage.
Auf einen schon im 11. Jahrhundert bekannten Sattelhof geht das Gut Wichtringhausen zurück, im 16. Jahrhundert bekam es als calenbergisches Lehen eine Anerkennung als Rittergut. Das von einem Wassergraben umgebene Castrum im Mittelpunkt der Anlage stammt im Kern wohl aus dem 16. Jahrhundert, ist aber wesentlich geprägt durch einen 1866 nach Plänen von Heinrich Wiethase (1833-1893) ausgeführtem Umbau in neugotischem Stil. 1743 gelangte das Gut in den Besitz der aus Eltville stammenden Familie Langwerth von Simmern, die heute noch im Rheingau Wein anbaut und von ihrem niedersächsischen Sitz aus vertreibt.
Aus der Vereinigung eines Lehens des Klosters Loccum und einem landesherrlichen Lehen entstand 1620 das Rittergut Groß Munzel, das 1713 an die Familie von Hugo ging. Zum Gut, das Teil eines mehrere bauliche Anlagen umfassenden geschützten Ortskerns ist, gehört neben dem im Kern aus dem Jahr 1580 stammenden Herrenhaus auch eine auf dem Kirchhof gelegene Grabkammer, die inschriftlich 1746 datiert ist. Seit 1878 wird das historistisch gestaltete Mausoleum im westlich gelegenen Gutspark als Erbbegräbnis genutzt.
Ein schriftlicher Hinweis auf das Gut Langreder stammt aus dem 12. Jahrhundert. Neben dem Herrenhaus und zwei großen Wirtschaftsgebäuden befindet sich auf dem Gelände eine ehemalige Wassermühle mit Inschriften zum Bau im Jahr 1592 und zum Umbau 1791. Sie gehört zu den ältesten Profanbauten in der Region.Wie die kleine Kapelle in Langreder sind Kirchengebäude und die Gründungen kirchlicher Gemeinden eng mit den großen Gütern verbunden. Häufig dienten sie auch als Grablegen der Gutsbesitzerfamilien, die dort teilweise heute noch ein Patronat ausüben. Beispielhaft dafür ist die St. Blasius-Kirche in Großgoltern, eine barocke Saalkirche mit mittelalterlichem Turm, in der fünf Generationen derer von Alten bestattet sind. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts gebaute St. Michaelis-Kirche in Groß Munzel bildet mit dem dortigen Gut ein untrennbares räumliches Gefüge im Ortskern. Zu den ältesten Gebäuden gehört die Patronatskirche Stemmen. Der aus einer spätgotischen zweijochigen, kreuzrippengewölbten Kapelle hervorgegangene Saalbau ist inschriftlich 1497 datiert, wurde aber später umgebaut und ergänzt. Nördlich am Chor ist eine Freitreppe angebaut, die zu einer Gutsprieche führt, ein typisches Detail für ältere Patronatskirchen. Kirchdorf muss dem Ortsnamen („Chirihdorf“) nach schon im 9. Jahrhundert ein Kirchengebäude gehabt haben. Lange Zeit hatte die Familie von Goltern hier das Patronatsrecht, bis es 1558 an die Familie von Alten überging. Die Baugeschichte der überkommenen Heilig Kreuz-Kirche reicht mindestens bis in das 14./15. Jahrhundert zurück.
Jüngeren Datums ist die Christuskirche Egestorf. Sie wurde zunächst 1835/48 als Ersatz für eine nach dem Dreißigjährigen Krieg gebaute Kapelle errichtet und schließlich 1913 nach Plänen des hannoverschen Architekten Eduard Wendebourg (1857-1940) zur Kirche erweitert. Der zurückhaltend klassizistisch gestaltete Bau mit Glockenreiter dokumentiert den mit dem Bergbau verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung und die daraus resultierende rasant steigende Zahl der Bevölkerung. Für diese Ära finden sich in und um Egestorf noch einige weitere bedeutende Zeugnisse. Das Wohn-/Wirtschaftsgebäude Stoppstraße 20, ein Hallenhaus mit zweistöckigem Kammerfach, diente um die Mitte des 19. Jahrhunderts als Sitz der Bergwerksverwaltung. 1844 ließ auch der Freiherr Knigge in seinem Forstrevier Kniggenbrink ein Steinkohlebergwerk errichten. Die Tiefe Kniggenbrinker Förderstrecke, ein ca. zwei Kilometer langer gemauerter Stollen, reicht von Egestorf bis weit in den Deister, wo sich unweit davon die Stollenmundlöcher des Egestorfer Stollens und des König-Wilhelm-Stollens befinden. Stollen oder Stollenmundlöcher, wie auch das des Hohenbosteler Stollens, sind obertägig kaum auszumachen bzw. schwer zu finden. Beinahe landschaftsprägend dagegen ist das 1867 errichtete große Schachtgebäude der 1928 stillgelegten Zeche Antonie in Bantorf, heute als Wohnhaus genutzt.
Klösterliches Leben sowie die für die Entwicklung der gesamten Region bedeutende Landwirtschaft und Bergbau sind in der Gemeinde Barsinghausen in besonders hoher Dichte durch eindrucksvolle historische Zeugnisse dokumentiert. Neben Kirchen, Rittergütern, Schachtgebäuden und den typischen Dreiseithöfen mit ihren repräsentativen Wohnhäusern gehören auch weniger auffällige Spuren, wie z. B. der Jüdische Friedhof Groß Munzel, zum erhaltenswerten Bestand. Ebenfalls Zeugen der Erinnerung und oft von besonderer bildhauerischer Qualität sind die in jeder Ortschaft vorhandenen Gedenkstätten der Weltkriege, wie das von Hans Dammann (1867-1942) entworfene Gefallenendenkmal Am Waldhof in Barsinghausen oder das von Melchior von Hugo (1872-1939) geschaffene Gefallenendenkmal auf dem Kirchhof von Groß Munzel.
Zum Weiterlesen:
Wolfgang Brandis u. a.: Der Deister. Natur, Mensch, Geschichte. Springe 2017
Günther Klapproth: Gedenksteine im Deister - wandern & entdecken. Hannover 2003
Victor von der Osten: Die Rittergüter der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft. Hannover 1996