Gebietsfreischaltung in der Bau- und Kunstdenkmalpflege: Die Stadt Bückeburg

Von Frank Achhammer

Das dicht an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen gelegene Bückeburg gehört mit weniger als 20.000 Einwohnern zu den kleineren Städten Niedersachsens, ist jedoch insbesondere aufgrund seiner Bedeutung als ehemalige Residenzstadt eines souveränen Fürstentums mit einer Vielzahl hochrangiger Baudenkmale ausgestattet.

Eine Wasserburg an der Stelle des heutigen Schlosses wurde im 14. Jh. zum Mittelpunkt des Ortes, dessen Kern nordöstlich der Burg durch Wall- und Graben gesichert war. Zur Versorgung der Herrschaft diente das nordwestlich gelegene Maschvorwerk, es wurde bis 1960 bewirtschaftet und ist in Teilen erhalten. Burgmannshöfe sicherten den Flecken seit dem frühen 15. Jh., einer von ihnen ist der Burgmannshof v. Münchhausen am Sablé-Platz, dessen Bauten aus dem 16. Jh. seit 1970 Teil des Hubschraubermuseums sind. Ein anderer Adelssitz, der sogenannte Schaumburger Hof in der Langen Straße, gilt als eines der ältesten Museen im mittleren Weserraum, denn sein 1564 datiertes Haupthaus wird seit dem frühen 20. Jh. als Heimatmuseum genutzt. Zu den bedeutenden auf mittelalterliche Gründungen zurückgehenden Bauten gehört die Kirche im 1928 eingemeindeten Jetenburg, die den Bückeburgern nach dem Brand der Marienkirche 1541 als Pfarrkirche diente.

Zu Beginn des 17. Jh. entschied Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg (1569-1622), seine Residenz von Stadthagen nach Bückeburg zu verlegen, wodurch sich Größe und Erscheinungsbild des 1609 mit Stadtrecht versehenen Ortes grundlegend änderten. Graf Ernst, 1619 gefürstet, ließ nicht nur Schloss und Stadtbefestigung umbauen, er erweiterte den Schlossbezirk durch Hofkammergebäude, Marstall, Kammerkasse und ein Ballhaus (heute Reithaus). Nördlich des neuen Schlosstores, ein bedeutendes Bauwerk der Weserrenaissance, wurden in achsensymmetrischer Anlage das alte Rathaus, das Renthaus (heute Stadthaus) und die Hofapotheke gebaut, sowie in der Schulstraße eine Lateinschule. Im Altstadtbereich wurden Straßen neu angelegt und der Bau neuer Häuser gefördert, einige der vielen bis heute straßenbildprägenden Fachwerkbauten dürften im Kern auf diese Zeit zurückgehen. Mit der 1615 eingeweihten Stadtkirche bekam Bückeburg eine der beiden weltweit ersten großen Kirchen, die für das protestantische Bekenntnis gebaut wurden.

Infolge des Dreißigjährigen Kriegs und eines Einbruchs in der Erbfolge wurde die Grafschaft Schaumburg geteilt und Bückeburg zur Residenz der Grafschaft Schaumburg-Lippe. Im 18. Jh. ließ der für seine militärischen Verdienste bekannte Graf Wilhelm (1724-1777), Erbauer der Festung Wilhelmstein im Steinhuder Meer, im Schaumburger Wald das Jagdschloss Baum erneuern und für seine eigene Grablege eine Pyramide mit umgebendem Ruhegarten anlegen. Auch die Frau seines Nachfolgers, Gräfin Juliane (1761-1799) hat ihre letzte Ruhestätte in einem Mausoleum im Schaumburger Wald. Auf ihre Initiative geht neben der Bautätigkeit am Schloss Hagenburg und im Kurbad Bad Eilsen auch die Erneuerung des Wirtshauses Große Klus zurück. Ihr Leibarzt Bernhard Christoph Faust (1755-1842) führte in Bückeburg die Pockenimpfung ein. Das Haus Schloßgartenstraße 4, in dem er lebte, ist erhalten. Ebenfalls zu den bedeutenden Bauten des 18. Jh. gehört die als Gefängnis und Krankenhaus gebaute Anlage in der Wallstraße.

Das aus der Zeit der Napoleonischen Kriege als Fürstentum hervorgegangene Schaumburg-Lippe erlebte im 19. Jh. einen massiven wirtschaftlichen Aufschwung, der u. a. durch den Anschluss an die Bahnstrecke Hannover–Minden 1847 beflügelt wurde. Wie Stadthagen bekam auch Bückeburg ein repräsentatives Empfangsgebäude, das über den Ausbau der Bahnhofstraße mit dem Markt verbunden wurde. In den darauffolgenden Jahren wurden dort viele größere Bauten errichtet, darunter auch 1866 die neue Synagoge. Die Aufgabe der Wallanlagen ermöglichte eine weiträumige Stadterweiterung bis zum Rand des Höhenzugs Harrl für den Bau von repräsentativen Wohnhäusern und Villen, deren geschlossener Bestand im östlichen und südlichen Teil des Ortes eine für eine Kleinstadt ungewöhnliche Größe und Qualität hat. Zu den frühen Bauten dieser Art gehört die 1865 vollendete Villa Strauß von Conrad Wilhelm Hase (1818-1902), spätere Wohnhäuser wurden u. a. von bekannten Architekten wie Albrecht Haupt (1852-1932) und Ernst Wullekopf (1858-1927) entworfen. Ebenfalls stadtbildprägend sind fürstliche Bauprojekte dieser Zeit, wie der 1867 begonnene Bau der Jägerkaserne in der Ulmenallee. Sie ist eine der ältesten militärischen Anlagen, die immer noch von der Bundeswehr genutzt werden. Das Schloss erfuhr ab 1895 unter Fürst Georg (1846-1911) u. a. durch die beiden Kavaliershäuser eine umfassende Erweiterung, in der Herminenstraße wurde ein neues Parlamentsgebäude (heute Landgericht) und etwa gleichzeitig für Hermine zu Schaumburg-Lippe (1827-1910) ein prachtvolles Palais mit Parkanlage als Witwensitz errichtet. Am Marktplatz ersetzte ein großes, aufwändig geschmücktes Rathaus den renaissancezeitlichen Vorgängerbau. Der letzte regierende Fürst Adolf II. schließlich hinterließ das 1911-15 von Paul O. A. Baumgarten (1873-1946) entworfene Mausoleum im Schlosspark, das als das größte seiner Art in Europa gilt, sowie die 1914 gebaute Fürstliche Musikschule.

Im Randbereich der Stadt und in den eingemeindeten Dörfern gibt es neben bedeutenden Zeugnissen mittelalterlichen Kirchenbaus wie der St. Cosmas und St. Damian-Kirche in Petzen  zahlreiche charakteristische Beispiele für ländliches Bauen wie die mit regionaltypischem Rundwalm („Schaumburger Mütze“) ausgestatteten giebelständigen Wohn-/Wirtschaftsgebäude, firstparallel dazu gebauten Scheunen und vorgelagerten Hofflächen.

Der geschützte Bestand Bückeburgs gehört zu den Höhepunkten in der niedersächsischen Denkmallandschaft, er enthält herausragende Objekte der Bau- und Kunstgeschichte und dokumentiert die einzigartige städtebauliche Entwicklung einer geschichtlich bedeutenden Stadt vom ausgehenden Mittelalter bis in das 20. Jh.


Zum Weiterlesen:

Thorsten Albrecht: Die Bückeburger Stadtkirche - ein bedeutendes Beispiel der deutschen Spätrenaissance. Petersberg 1999.

Roswitha Sommer: Bückeburger Häuserbuch - Bürger gestalten ihre Stadt 1419-1918. Bielefeld 2022.

Helge bei der Wieden: Ein norddeutscher Renaissancefürst - Ernst zu Holstein-Schaumburg. Bielefeld 2010.

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